Beueler-Extradienst

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Kurt Krömer

Er hat die fachliche Ahnungslosigkeit des was-mit-Medien-Betriebs erfolgreich nachgewiesen

“Kurt Krömer” ist eine Kunstfigur. Alexander Bojcan hat ihn erfunden. Ob alleine oder im Team, weiss ich nicht. Alexander spielt gerne, das ist schon dieser Namensschöpfung anzumerken, ebenso allen Auftritten dieser Figur. Dass es ihn selbst an Grenzen gebracht hat, hat er offengelegt, und dafür einen Grimmepreis erhalten. Beim Grimmepreis sitzen etliche was-mit-Medien-Menschen in den diversen Jurys. Sehr einflussreich in ihren Medien scheinen sie nicht zu sein. Denn dort, wo ich gewöhnlich herumlese, haben sie von Krömer nichts verstanden. Ausser einer vielleicht.

Unverständnis und fachliche Ahnungslosigkeit des Medienbetriebs hat Krömer nicht für sich allein. Wer in diesen Tagen die Spekulationen über den Herrn Bierhoff und seine möglichen Nachfolger liest, weiss, was ich meine. Der Betrieb der Aufmerksamkeitsökonomie dreht frei. Frei vor allem von Fachlichkeit und Argumenten. Ihr Brett vorm Kopf – sie bemerken es gar nicht.

Ich will es nur an einem Beispiel illustrieren. uebermedien.de ist ein allgemein anerkannter, respektierter medienkritischer Blog. Bei seinem Personal habe ich etwas den Überblick verloren; es wechselt in hoher Geschwindigkeit. Aktueller Redaktionsleiter ist Frederik von Castell. Meinetwegen. Der meinte nun zu “Chez Krömer”: “Statt seiner Gäste zerstört Kurt Krömer seine eigene Kunstfigur”. Kann er meinen. Wir haben ja Meinungsfreiheit.

Als ich seinen Text dann las, wurde ich immer ungehaltener. Der Kerl guckte und kritisiert “Chez Krömer”, als sei das “Illner”, “Lanz” oder “Will”. Herr von Castell ist im Verlies gelandet. Dort ist die deutsche TV-Talkshow Gesetz. Abweichung also gesetzwidrig. In einem Land mit solchen Gesetzen will ich nicht leben. Zum Glück haben wir ja – noch – Kunstfreiheit.

Herrn Castells Miss- und Unverständnis hat eine Vorgeschichte. Als der NDR-Intendant Jobst Plog in der ARD einen Sendeplatz für seine Sabine Christiansen und die Produktionsfirma ihres Gatten durchsetzen musste, tat er einen programmstrategischen Kunstgriff: ihre Talkshow sei nicht “Information”, sondern “Unterhaltung”. So wollte er verhindern, dass die politischen Chefredakteur*inn*e*n der ARD-Sender ihm und Christiansens Firma da reinquatschten. Und so geschah es. Die Talkshow am Sonntag hinterm Tatort war platziert und sammelte die Zuschauer*innen*quoten ein, die beim Tatort eingeschlafen waren und es nicht mehr bis zur Fernbedienung auf dem Sofatisch geschafft hatten.

Und weil das so “erfolgreich” war, kriegte “Christiansen” eine Unmenge weiterer kleiner und grosser Kinder im deutschen Fernsehen. Sie surften auf der Outsourcing-Welle und entkernten die öffentlichen – unsere – Sender von redaktioneller Kompetenz; die ehrgeizigeren ehemaligen Angestellten wurden zu Unternehmer*inne*n und Geschäftspartner*inne*n – mit nicht wenigen Geschäftsgeheimnissen. Das olle TV wurde so – nebenbei – in Deutschland ein Motor des Massenmediums “Internet”, wohin dann alle unter 60 flüchteten. Ich selber brachte mit dem Beginn von “Christiansen” immer den Müll runter – Trash zu Trash.

Besonders Irre halten diese Talkshows für “Journalismus”, nur weil viele Journalist*inn*en dort rumsitzen dürfen, und kritisieren an “Krömer”, dass er den nicht gut genug macht. Herr, wirf Hirn vom Himmel!

Alexander Bojcan ist einer der wenigen Künstler*innen, die sich gegen Berechenbar- und Erwartbarkeit des alten Mediums zur Wehr setzen. Dafür bin ich ihm sehr dankbar. Und wer dieses Medium noch für relevant zur Verteidigung unserer Demokratie hält, sollte es auch sein.

Jakob Hein hat verstanden. Aber wer hat sich nur diese doofe Überschrift ausgedacht?

Zum Nachgucken: hier die grimmebepreiste Folge mit Thorsten Sträter, und hier meine Lieblingsfolge mit Helge Schneider. Helge sollte als Einziger die Erlaubnis bekommen, noch TV-Kritiken zu verfassen. Weil er kapiert, “was diese Kunst sagen will”. Nämlich nichts. Es ist Kunst. Was die soll und will, entscheiden Sie. In Ihrem Kopf.

Und wer nicht mehr weiss, wo der Aus-Knopf ist, die*der weiss wenigstens: es ist so weit, ich bin dement.

Über Martin Böttger:

Martin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
Sie können dem Autor auch via Fediverse folgen unter: @martin.boettger@extradienst.net

Ein Kommentar

  1. Der Maschinist

    Die Folgen mit Sträter und Schneider hast du verdienstvollerweise erwähnt. Ich darf noch auf die mit Kida Kodr Ramadan hinweisen. Weil die beiden Protagonisten darin die Perspektive für das Überleben der Kunstfigur Krömer gleich gemeinsam entwickelt haben: Tatort – Kripo Kreuzköln! Lass das mal sacken und dann denkste mal ne Viertelstunde drüber nach! Viertelstunde… schaffs du schon! 😉

    https://yewtu.be/watch?v=bfQaWLMZ7k0

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