Es ist ein bisschen eine Mischung aus den Settings von “Neuland” und “Vorstadtweiber”. Letztere waren damals auch eine seltene Perle in dem in der Regel debilen ARD-Serienprogramm an Dienstagen. Einer der wenigen Wochentage, an dem die ARD bei den Einschaltquoten das marktführende ZDF noch schlagen kann. Wer das im German Television schafft, ist mit Qualitätsargumenten nicht mehr zu erreichen. Also mutmasslich ein Glückstreffer: “Tage, die es nicht gab”.

Zunächst zu meinem einleitenden Vergleich. “Neuland” von Orkun Ertener war politischer in dem Sinne, dass es Klassengesellschaft und -konflikte realistisch abbildete, angesiedelt in Hamburg von einer Münchner Produktionsfirma; die Klassengesellschaft verkorkste die Schule und umgekehrt. In “Vorstadtweiber” reichte der Plot stärker in die verkommene österreichische Politik hinein und verursachte dort adäquate Aufregung, musste daran aber scheitern. Denn Österreichs Politik ist nicht fiktionalisierbar – ihre Dokumentation schlägt die besten Politkrimis in die dramaturgische Flucht.

Daran verhebt sich “Tage, die es nicht gab” nicht. Der Plot ist in der Oberschicht und ihren Eliteschulen angesiedelt. Harald Krassnitzer spielt so begeistert ein Ekelpaket, dass jede*r von uns, wenn wir nicht zu feige wären, ihn auch gerne die Staumauer heruntergestossen hätte. In der Serie gibt es genug Verdächtige, um damit acht Folgen a 45 Minuten voll zu machen.

Getragen wird die Sache von einem erstklassig gecasteten Ensemble. Meine Lieblinge: die Damen Höfferer und Speidel. Wenn Sie die Spannung rausnehmen und sich ungestresst unterhalten lassen wollen, können Sie ja zuerst die achte Folge gucken. Dann wissen Sie wers war. Die anderen Folgen werden davon nicht langweilig. Es ist der österreichische Einfluss dieser Koproduktion, starke Frauen und mittelmässige Männer treten in der Oberschicht gegeneinander an. Und anders als im wirklichen Leben behalten die Frauen die Oberhand. Wie sie das machen, das trägt die Geschichte dieser für ARD-Dienstage überdurchschnittlichen Serie.

Nachtrag: 3-4 Mio. guckten bei den ersten beiden Folgen linear zu.

Über Martin Böttger:

Martin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
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