Zensur und Willkür des DEKT / Zum unbegründeten Verbot der NAKBA-Ausstellung auf dem Kirchentag im Juni 2023 in Nürnberg

„Jetzt ist die Zeit!” – unter diesem biblischen Motto aus dem Markus-Evangelium findet vom 7.-11. Juni in Nürnberg der Deutsche Evangelische Kirchentag (DEKT) statt. Erwartet werden bis zu 100.000 TeilnehmerInnen. “Wichtige Themen der Zeit werden diskutiert, Fragen nach Frieden und Gerechtigkeit… und der Würde des Menschen gestellt“, kündigt der DEKT in seinen Einladungen und Werbematerialien für die Großveranstaltung an. Der Präsident des Kirchentages, Bundesminister a.D. (Verteidigung und Innen) Thomas de Maiziere (CDU) betont: „Wir brauchen einen offenen, ehrlichen Austausch untereinander, um der Zeit gerecht zu werden und gemeinsame Schritte zu gehen.”

Diese wohlklingenden Ankündigungen gelten allerdings nicht für das Konfliktthema Israel/Palästina. Die NAKBA-Ausstellung über die Vertreibung und Flucht von rund 750.000 PalästinenserInnen im Jahr 1948 – zunächst durch jüdisch-zionistische Milizen und nach der Staatsgründung Israels am 14. Mai 48 durch die Streitkräfte des Landes – darf ausgerechnet zum 75. Jahrestag dieses Geschehens auf dem DEKT in Nürnberg nicht gezeigt werden. Nur mit dieser Verbotsauflage erhielt der Verein „Flüchtlingskinder im Libanon“ (FiL) e.V., der die NAKBA-Ausstellung im Jahr 2008 aus Quellen israelischer Historiker konzipiert hatte, von der DEKT-Geschäftsstelle in Fulda die Zulassung für einen Stand auf dem Markt der Möglichkeiten beim Nürnberger DEKT. Dieses von DEKT-Generalsekretärin Kristin Jahn und der für das Kirchentagsprogramm verantwortlichen Studienleiterin Stefanie Rentsch im November letzten Jahres übermittelte Verbot kam sehr überraschend. Denn auf vergangenen Kirchentagen seit 2010 wurde die NAKBA-Ausstellung ohne Probleme gezeigt (und zudem seit 2008 in über 150 Städten im In-und Ausland sowie bei der EU in Brüssel und der UNO in Genf).

Für die Verbotsentscheidung gaben Jahn und Rentsch auch auf mehrfache Nachfragen keine Begründung. Die Entscheidung habe das für “das Programm des Kirchentages gesamtverantwortliche DEKT-Präsidium“ getroffen „nach vorheriger Durchsicht und Prüfung“ der Bewerbung des Vereins Flüchtlingskinder im Libanon „durch ein vom Präsidium eingesetztes Expertengremum.“

Doch auch zahlreiche schriftliche Nachfragen bei dem „gesamtverantwortlichen“ Präsidium nach den Gründen für das Verbot seit November letzten Jahres wurden bisher (Ende Februar) nicht beantwortet. Selbst langjährige ehemalige Mitglieder, wie die frühere Kirchentagspräsidentin Elisabeth Raiser und ihr Mann, der ehemalige Generalsekretär des Ökumenischen Rates der Kirchen, Konrad Raiser, erhielten keine Antwort.

Der aktuelle Kirchentagspräsident Thomas de Maiziere reagiert auf Briefpost an seine Dresdner Anschrift bisher überhaupt nicht. Anfragen per E-Mail-Schreiben an sein Büro läßt der Kirchentagspräsident durch seine Mitarbeiterin, die Flensburger CDU-Landtagsabgeordnete Uta Wentzel mit diesen Worten abwimmeln: “Das Schreiben wurde gar nicht gelesen und daran besteht auch überhaupt kein Interesse. Wenn Sie vom DEKT keine Antwort auf Ihre Frage erhalten, müssen Sich sich halt damit abfinden.“

Von den übrigen 30 Mitgliedern des Präsidiums (darunter Bundesarbeitsminister Hubertus Heil, BWI-Staatssekretär und ATTAC-Mitbegründer Sven Giegold sowie BGH-Präsidentin Bettina Limperg, und den acht “ständigen Gästen” des Präsidiums aus der für den DEKT in Nürnberg gastgebenden Bayerischen Landeskirche (darunter Bischof Heinrich Bedford-Strohm) antworteten nur einige überhaupt – und verwiesen sämtlich zurück an die DEKT-Geschäftsstelle in Fulda. Auffällig viele der Angefragten erklärten zudem, sie seien gar nicht auskunftsfähig. Denn sie hätten an der Präsidiumssitzung, auf der das Verbot der NAKBA-Ausstellung beschlossen wurde, gar nicht teilgenommen. Das wirft Fragen auf: Gab es überhaupt eine solche Sitzung? Und wenn ja: existiert ein ordentliches Sitzungsprotokoll, aus dem Beschlüsse und ihre Begründungen hervorgehen? Wenn nicht: von welchem Personenkreis wurde das Verbot tatsächlich beschlossen?

Wer die Mitglieder des „Expertengremiums“ waren, das zum Verbot der NAKBA-Ausstellung geraten hat, hält der DEKT bislang auch noch geheim. Nach informellen Informationen aus Kirchentagskreisen soll ein Experte (möglicherweise der einzige?) Christian Staffa gewesen sein, der Antisemitismusbeauftragte der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). Staffa ist auch im Vorstand der seit 1961 bestehenden „AG Juden und Christen“ beim DEKT.

Das Verbot der NAKBA-Ausstellung auf dem Nürnberger Kirchentag ist ein unakzeptabler Akt der Zensur und des Eingriffs in die Meinungsfreiheit. Der DEKT verhindert damit den demokratischen Dialog. Der bisherige Umgang des DEKT mit Fragen nach einer Begründung des Verbots ist willkürlich und selbstherrlich. Und das DEKT-interne Verfahren, das zu dem Verbot geführt hat, ist offensichtlich nicht einmal für Mitglieder des „gesamtverantwortlichen“ Präsidiums transparent. Der DEKT ist zwar ein Verein. Aber die Großveranstaltung in Nürnberg ist keine Privatveranstaltung. Sie wird außer durch Ticketverkäufe, Spenden und Sponsoring ganz wesentlich mit öffentlichen Geldern (Kirchensteuern und anderen Zuschüssen) finanziert. Daher ist der DEKT auskunftspflichtig.

Unser Autor verfügt über eine Kontaktadressenliste der verantwortlichen DEKT-Gremienmitglieder, und stellt sie auf Anfrage gerne zur Verfügung-

Über Andreas Zumach:

Andreas Zumach ist freier Journalist, Buchautor, Vortragsreferent und Moderator, Berlin. Von 1988- 2020 UNO- Korrespondent in Genf, für "die tageszeitung" (taz) in Berlin sowie für weitere Zeitungen, Rundfunk- und Fernsehanstalten. Seine Beiträge sind in der Regel Übernahmen von taz.de, mit freundlicher Genehmigung von Autor und Verlag.