Nicht, dass ich meine, dass es in der Postpandemie noch viele interessiert. Die Ultras unter den Fans sicherlich, nach denen sich das Business noch eines Tages zurücksehnen wird. Aber der Fall steht als Zeichen für den Fortgang unserer Ökonomie und Gesellschaft. Darum mache ich hier kurz auf ihn aufmerksam. Daniel Theweleit, der Sohn des “Männerphantasien”-Theweleit, und langjährig geachteter kritischer Sportjournalist, berichtet in der Taz (auch in der FAZ, aber da ist es meistens eingemauert): Deutsche Fußball Liga auf Kapitalsuche: Der revolutionäre Plan der DFL – Die Deutsche Fußball-Liga plant Medienrechte zu veräußern, um an mehr Geld zu kommen. Zeit für eine ausgeruhte Debatte ist nicht vorgesehen.”

Theweleit hat die Angst der Vereinsbosse vor den Fans treffend erwähnt. Dass sie sich vor ihnen fürchten, statt sich mit ihnen in einem dialektischen Kommunikationsprozess zu verbünden, haben sie mit deutschen Medienmacher*inne*n gemeinsam

Theweleits Bericht hat aber auch ein schwerwiegendes Defizit. “Das durch den Deal mögliche Investment in die Digitalisierung” wird zwar beziffert, wie viel Profit es in die Kassen der Fussballkonzerne spülen soll. Über dessen Verteilung selbstverständlich heftiger Streit erwartet wird. Aber was “Digitalisierung” inhaltlich bedeuten soll, bleibt offen wie ein Scheunentor.

Bereits in der Gegenwart ist die grundgesetzlich garantierte Freiheit des Bildes in der privaten Bundesliga nicht gewährleistet. Eine von der DFL beauftragte Firma dreht die Bilder, und die TV-Anstalten kaufen sie ab, statt – nach womöglich journalistischen Kriterien, OMG! – eigene zu produzieren. Längst ist es ausserdem so, dass die PR-Abteilungen der Fussballkonzerne personell um ein Vielfaches grösser sind, als Sport- oder Lokalredaktionen von unabhängigen Medien (= massenhaft “Journalist*inn*en”-Arbeitsplätze!). Sie produzieren allesamt Internet-TV-Kanäle.

Es fehlt also kaum noch was, um eine eigene Pay-TV-Plattform zu installieren – die Bundesliga/DFL als Medienkonzern, in den Milch und Honig hineinfliessen, solange es genug zahlungsfähige und -bereite Drogenabhängige gibt. Vorbild für zahllose Institutionen, Lobbys, Parteien, Konzerne mit Kontrollwahn über das eigene Bild und seine Darstellung in der Öffentlichkeit.  Und dann – heuchel, heuchel – über den Mafioso Infantino aufregen, der das gleiche mit der Fifa vorhat … die Sauds wedeln schon hechelnd mit dem Schwanz …

Informationsfreiheit, Pressefreiheit, Meinungsfreiheit, Grundgesetz? Sie Romantiker*in!

Über Martin Böttger:

Martin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
Sie können dem Autor auch via Fediverse folgen unter: @martin.boettger@extradienst.net