Nach zunächst nur lokaler Verwendung testete ich gestern erstmals mein 49-€-Ticket bei der Deutschen Bahn (Netz), bzw. mit “National Express” (Zug: brit. Privatbahnbetreiber im NRW-Regionalverkehr; die sind von da, wo besonders gerne – und berechtigt! – gestreikt wird). Ich nehme die Pointe vorweg: wenn es “nix” kostet, steigert es den individuellen Gleichmut. Vor dem 49-€-Ticket hatte ich immer mit meiner Bahncard50 “Flex-Preis” für IC/ICE gekauft, machte für Bonn-Essen 35€. Was ich dabei erlebt habe, habe ich hier in Serie beschrieben. Wo lagen nun die Unterschiede? Entscheiden Sie selbst.

Hinfahrt: der RE5 erscheint in Bonn pünktlich. Nur war es die knapp vor ihm Richtung Köln gestartete Regionalbahn (ebenfalls “National Express”) nicht. Die räumt vor ihm immer die überfüllten Bahnsteige ab, hält allerdings überall, auf den gleichen Gleisen. So hatten sich bis Köln knapp 10 Minuten Verspätung angesammelt. Den angepeilten Bus in Oberhausen-Sterkrade, der mich quer durch Bottrop u.a. die denkmalsgeschützte Bergarbeitersiedlung Welheim nach Essen-Karnap bringen sollte, verpasste ich genau auf die Minute (20-Minuten-Takt an Werktagen). So fand sich Zeit für einen WC-Gang und einen Espresso am “gemütlichen” Sterkrader Busbahnhof – von dem DB-Bahnhof schweige ich hier lieber.

Welheim kann es ästhetisch mit der berühmteren Essener Margarethenhöhe, keine Zechen- sondern Krupp-Siedlung, aufnehmen. Hier gleich nebenan wurde die allerletzte Ruhrpottzeche dichtgemacht, und von der dazugehörigen Kokerei beständig Gift ausgestossen. Dachziegel, Fassadenfarben, Fensterrahmen lassen ein Siedlungsbild erkennen, das andernorts durch Einzelprivatisierungen und wildes individualistischen Rumrenovieren nachhaltig zerstört wurde. Ärger mit Deutschlands grösstem Immobilienhai Vonovia gibt es selbstverständlich auch hier. Und davon viel.

Nach der verspäteten Busanreise folgte der angenehmste Teil: Verwandtschaftsgespräche, Vorbereitung eines 91. Geburtstages, mit frischem Spargel und Zanderfilet in der Puszta-Schenke/Gelsenkirchen-Horst.

Für die Rückfahrt steuerte ich den “Bahnhof” Essen-Altenessen an – ein überregional bekannter Angstrum, aber es war ja noch hell, regelrecht idyllisch in der strahlenden Abendsonne. Der fuhr ich mit einer Regionalbahn nach Duisburg entgegen. Dort liess ich den RE1 nach Köln/Aachen wegfahren, der verspätet und überfüllt war. Der RE5 sollte folgen, brachte 5 Minuten Verspätung aus Wesel mit, aber war aufgelockert besetzt. Heimreise im Sonnenuntergang, im Obergeschoss des Grossraumabteils am Fenster genossen. Was sollte passieren? Hmmm, WLan ging nicht (auf der Hinfahrt funktionierte es noch) …

Bei der Anfahrt auf Düsseldorf hiess es, der Zug werde über die andere Rheinseite umgeleitet, wg. Bauarbeiten. Das konnte einen Beueler nicht beunruhigen, im Gegenteil. Etwas Schnelleres als eine Umfahrung von Köln Hbf. war nicht denkbar, theoretisch. Ich war schon sehr lange nicht mehr auf der falschen Rheinseite zwischen Köln und Düsseldorf gefahren. Heute weiss ich: unsere Beueler Seite ist dagegen bahntechnisch – trotz Bauarbeiten – regelrecht tiptop.

Denn mit der Ausfahrt aus dem Düsseldorfer Hbf. Richtung Neuss wirkte es, als wenn der Lokführer auf der unbekannten Strecke in der einbrechenden Dunkelheit auf Sicht, also Schritttempo fuhr, um ja keine Taube oder Maus totzufahren. Ausgiebig konnte ich die “Düsseldorf-Arkaden” am S-Bahnhof Bilk bewundern, die genau an der Stelle stehen, wo einst zu meiner Landtagszeit in einem Garagen-Gewerbehof das Fischrestaurant Maaßen eine exzellente Filiale betrieb, in der ich gerne bei bestem Weisswein an Sommerabenden versackt bin. Und weil ich immer mit sehr angenehmen netten Leuten dort war, störte auch die aufgeblasene Düsseldorfer Zuhälter-Society nicht weiter. Schöne Erinnerungen, Zeit genug war dafür. Der Maaßen-Chef wurde übrigens vor einigen Jahren inhaftiert … (RP, nur hinter Paywall)

Nur zwischen Neuss und Dormagen erreichte der Zug normale Reisegeschwindigkeit, um im Kölner Stadtgebiet sofort wieder in Fahrradgeschwindigkeit zu verfallen. Bemerkenswert: eine in Düsseldorf zugestiegene pubertierende Reisegruppe mit Fahrtziel Koblenz strahlte null Belästigung aus, alberte geradezu diskret-leise mit ihren Handys rum, hatte offensichtlich überhaupt keinen Alkohol konsumiert oder dabei. In Brühl musste sich dann noch eine Mittelrheinbahn von uns überholen lassen. Immerhin konnten deren Fahrgäste über den Bahnsteig zu uns wechseln. Das war doch nicht etwa Service?

Bilanz: die Fahrtzeit von Duisburg Hbf. bis Bonn Hbf. beanspruchte umsteigefrei 1 Std. und 40 Minuten. Zu Zeiten der verspotteten Deutschen Bundesbahn schaffte ich in dieser Zeit die Strecke Dortmund-Bonn. Die Zeiten ändern sich. Der NRW-Ministerpräsident war ja mal Verkehrsminister (2017-21). Versteht er also was davon? Lassen Sie diese Hoffnung lieber schnell wieder fahren. In seiner Amtszeit hat eine umkippende Schallschutzwand eine Autofahrerin erschlagen. Er hat sehr “professionell” darauf geachtet, in diesem Zusammenhang nirgendwo gesehen zu werden. Er hat andere Pläne.

Über Martin Böttger:

Martin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
Sie können dem Autor auch via Fediverse folgen unter: @martin.boettger@extradienst.net