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Die Kranzabwerfer

Medien haben kein Thermostat. Wenn einmal eins heissläuft, haben die Anderen Angst zu spät zu kommen, und rennen der Hitze hinterher. So entstehen Hitzewellen, die das Publikum in den Überdruss treiben. Früher gab es mal Chefredaktionen und Ressortleitungen, die sich ums Temperieren kümmerten. Aber solche Medienherren (kaum Frauen mitgemeint) haben heute keine Zeit mehr für ihre Arbeit. Die durchs Dorf getriebene Sau ist dieses Mal schon tot. Der sog. “Kaiser” Franz Beckenbauer starb ausgerechnet in der knapp bemessenen Fussball-Winterpause, so dass sich wirklich kein einziges Medium mehr einkriegt. Ich habe noch keinen “Nachruf” gefunden, dem ich folgen kann. Aber ich muss auch zugeben, dass ich die meisten gar nicht erst mit der Kneifzange anfasse.

Zunächst muss ich gestehen, dass ich als 9-jähriger bei Beckenbauers WM-Toren bei der WM in England 1966 mitgejubelt habe. Als 13-jähriger bei der WM 1970 in Mexiko weckten mich meine Eltern zur Verlängerung des Halbfinales gegen Italien (3:4 verloren), nachdem “ausgerechnet Schnellinger, werden die Italiener sagen” (O-Zitat Ernst Huberty) kurz vor dem Schlusspfiff den Ausgleich erzielt hatte. Beckenbauer spielte nach meiner Erinnerung mit Armbinde, und ich zitterte mit, ob das gutgeht. Von diesen Fällen abgesehen, habe ich ihn als arroganten CSU-Fatzke und Rivalen “meines” Vereins Borussia Mönchengladbach gehasst. Und nichts passierte oder unternahm er, um mich zu mässigen. Im Gegenteil.

Wissenschaftlich unterlegt wurde meine Antipathie erst vor weniger als vier Jahren durch den Historiker Hans Woller. Sein Buch “Gerd Müller oder Wie das große Geld in den Fußball kam” legte quellen- und faktensicher die kriminellen Steuerbetrugsstrategien von Bayerns Oberschicht offen. Während es Müller nie gelang, in diese Oberschicht vorzudringen, tat Beckenbauer das ähnlich “elegant” wie auf dem Spielfeld. Als Giesinger Arbeiterkind beherrschte er den Steuerbetrug so wenig wie Müller – dafür hatte er seine Leute. Als einer der Ersten seiner Zeit engagierte er sich einen Mänätscher (Robert Schwan). Daraus ist mittlerweile eine weltweit operierende und vernetzte kriminelle Industrie geworden (“Spielerberater” hört sich an wie “Trainer” – es sind längst umsatzstarke Konzerne).

Beckenbauer und Hoeneß – in den 70ern schon kriminelle Avantgarde

Der “Kaiser” Beckenbauer war als öffentliche Person eine ideale Figur, hinter der die politischen und kriminellen Strippenzieher ihr Werk umso ungestörter vollziehen konnten. Der ehemalige bayrische Finanzbeamte Wilhelm Schlötterer beschrieb das Anfang 2020 in der taz ähnlich spannend wie Woller: FC Bayern und der Freistaat: Mia san Steuerhinterzieher – Gerd Müllers Leben gehört zur Kriminalgeschichte des FC Bayern. Unser Autor, ein hoher Finanzbeamter, erzählt sie weiter und landet bei Uli Hoeneß.”

Ähnlich verlief die Skandalinszenierung des “Sommermärchens 2006”. Hinter Beckenbauer waren es in Handlungseinheit der korrupte Deutsche Fussballbund (DFB) und die grossmachtsüchtige rot-grüne Bundesregierung (Kanzler Schröder und der sportzuständige Innenminister Otto Schily), die den Ankauf der WM in Deutschland bei der Mafia-Grossorganisation Fifa absicherten. Beckenbauer, der so elegant und inhaltslos Schwätzen gelernt hatte, wie er einst Fussball spielte, wurde vor die Kameras und Mikrofone geschoben. Noch in Qatar konnte er keine Sklaven sehen. Als dann Jahre später alles rauskam, soll er der böse Bösewicht gewesen sein.

Dass er das schäbig und undankbar fand, ist nachvollziehbar. Und ebenso, dass das seinen Weg ins Grab beschleunigt hat. Alle, die in seinem Windschatten ihr Geschäft erledigen konnten, und das sind vorwiegend die von seinem “Aufstieg und Fall” zahllos profitierenden Medien, werden nun von ihrem schlechten Gewissen geplagt, und wollen sich in ihren Ehrungen für den Gefallenen von niemandem übertreffen lassen.

So widerlich kann Trauer sein.

Über Martin Böttger:

Martin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
Sie können dem Autor auch via Fediverse folgen unter: @martin.boettger@extradienst.net

Ein Kommentar

  1. Helmut Lorscheid

    ich habe wirklich noch nie in meinem 68jährigne Leben einem Fußballspiel im Fernsehen oder sonst wo zu geschaut Ich werde es auch – freiwillig nie machen. Wer ist gestoren?

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