Beueler-Extradienst

Meldungen und Meinungen aus Beuel und der Welt

Schlagwort: Kulturkampf

Die evangelikale Rechte muss sich neu orientieren

Brasiliens neopentekostale Kirchen nach der Niederlage Bolsonaros

Angesichts der umfassenden Schikanen gegen den Kandidaten der Linken bei den brasilianischen Präsidentschaftswahlen ist es eigentlich ein Wunder, dass Luis Inácio Lula da Silva gewonnen hat. Aus den Daten des Arbeitsministeriums geht hervor, dass die Zahl der politischen Interventionen im Unternehmenssektor zwischen dem ersten und zweiten Wahlgang um rund 2577 Prozent (!) zunahm. Die Aktionen waren offensichtlich koordiniert, denn das Vorgehen wiederholte sich in vielen Unternehmen, von der Veröffentlichung interner Mitteilungen ähnlichen Inhalts bis zur Verpflichtung zur Teilnahme an Wahlkampfveranstaltungen oder zum Tragen von T-Shirts mit politischen Symbolen. Weiterlesen

Politik ist kein Spiel

Boris Johnson und seine Wähler
Menschen ändern sich nicht über Nacht, schon gar nicht, wenn sie mit ihrem Verhalten erfolgreich sind. Deshalb sind Hoffnungen zwar ehrenwert, Boris Johnson werde sich mit seiner Ernennung zum britischen Premierminister vom polarisierenden Provokateur zum verantwortungsbewussten Politiker wandeln – hat nicht auch er eine zweite, dritte oder 24. Chance verdient? –, aber sie werden enttäuscht werden.

Ebenso wie der in dieser Zeitung geäußerte Wunsch, er könne verhindern, dass Großbritannien in einen „unversöhnlichen Kulturkampf“ schlittere. Weiterlesen

Rechtes Kabarett ist doof

Dieter Nuhr ist nicht nur ein schlechter Kabarettist, Dünnbrettbohrer und Populist, er macht auch keinen Spaß. Er macht sich in FDP-Art über Habeck, die Grünen, die Demonstranten gegen Mietwucher, Enteignung lustig. Zynisch verhöhnt er noch die Opfer von Vonovia, Deutsche Wohnen und anderen Spekulanten und macht den Rot-Rot-Grünen Senat in Berlin zum Urheber allen Übels. Wie der Staat bauen kann, sieht man ja am Berliner Flughafen BER -hahahaha!

Primitiv, dumm und immer auf die Kleinen. Weiterlesen

Sein Wort war ihm wichtiger als die Verfassung

Selbst in seiner Todesnachricht waren noch seine alten, machtpolitischen Seilschaften erkennbar: Die “Bild”-Zeitung meldete als erste das Ableben des Altbundeskanzlers, bevor es von einer zweiten Quelle bestätigt wurde. Dr. Helmut Kohl war Zeit seines Lebens ein Machtmensch. Er erkämpfte sich den Landesvorsitz der Rheinlanz-Pfälzischen CDU gegen den 22 Jahre amtierenden Ministerpräsidenten Altmeier und wurde mit 39 Jahren jüngster Ministerpräsident seines Bundeslandes. Er hatte mit seiner Methode gegenseitiger Seilschaft und Treue gegen Unterstützung gemeinsam mit Freunden der Jungen Union den Landesverband der CDU umgekrempelt. Gleichzeitig schrieb er seine intellektuell eher bescheidene Doktorarbeit – rund 170 Seiten über den “fröhlichen Menschenschlag” in der Pfalz -, über “…das Wiedererstehen der Parteien nach 1945”. Ständig miteinander zu kommunizieren und sich in Seilschaften gegenseitig zur Machtabsicherung beizustehen – dieses Prinzip entwickelte Kohl zu einem meisterlichen Rezept des Aufstiegs in Partei und später auch in der Regierung. Als es schon Handys gab, Mitte der 90er Jahre, demonstrierte der damalige Bundeskanzler gerne im Kreise vertrauter Journalisten, wie er spät abends um halb zehn einen Kreisvorsitzenden anrief, der sich nicht nur über den Kanzleranruf freute, sondern auch die neuesten privaten und innerparteilichen Informationen austauschte. So war Kohl immer bei der Basis am Ball, was seine innerparteilichen Gegner unterschätzten. Weiterlesen

Der Wille zum Feind (Politische Sprache III)

von Reinhard Olschanski

Über populistische Rhetorik
Einleitung

Der Populismus bespielt die große Bühne. Kaum ein westliches Land ohne erbitterten Kulturkampf – für das Abendland und gegen den Islam, gegen Flüchtlinge, Migranten oder „korrupte” Eliten. Mit der Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten wurde der Populismus zum Faktor der Weltpolitik. Eine Hassrhetorik, die alle Ansprüche an Mäßigung und Verständigung mit Füßen trat, hat ihn ins Amt geführt. Auch in den großen europäischen Ländern ist der Populismus ein Faktor. Der vom britischen Populismus angestoßene Brexit stellt eine historische Weichenstellung dar. In Frankreich ist der Front National ein politisches Schwergewicht. In Italien hatte der Populismus mit Berlusconi und seinen Bündnispartnern bereits eine große Stunde. Und auch die Bundesrepublik ist längst keine Insel der Seligen mehr, die sich ihrer „rechtspopulistischen Lücke” erfreuen kann. In Österreich scheiterte der FPÖ-Kandidat knapp bei der Präsidentenwahl und in EU-Staaten wie Ungarn, Polen oder der Slowakei schwächt ein Populismus an der Macht die Gewalten-teilung und das demokratische Institutionengefüge. Vor dem Hintergrund dieses beängstigenden Tableaus könnte man fragen, was eigentlich übrig bleibt von jenem liberalen, weltoffenen, auf Demokratie und Menschenrechte setzenden Westen, der, bei all seinen Widersprüchen und Problemen, doch lange ein hochattraktives Modell war. Können die Gesellschaften des Westens dem neuen Ansturm des Illiberalen, Völkischen und Nationalen standhalten? Oder ist das alles nur – wie einige immer noch meinen – halb so schlimm? Ein Sturm im Wasserglas?

Der vorliegende Band kann keine abschließenden Antworten auf die vielen neuen und verwirrenden Fragen geben. Es gibt wohl niemanden, der das gegenwärtig kann. Doch möglich und dringend nötig ist es, an einigen zentralen Stellen gezielt nachzufragen. Und zwar nicht nur mit Blick auf politische, ökonomische, soziale oder kulturelle Bedingungen, die zum Aufstieg des Populismus beigetragen haben, sondern auch hinsichtlich des Stils seiner Verlautbarungen. Denn er scheint ja in besonderem Maße ein „rhetorischer” Politikstil zu sein. Hier, auf dem Feld des Rhetorischen, ist er „ganz bei sich”, in seiner guten oder auch weniger guten Stube, in der seine Wortführer einen sehr speziellen Austausch mit ihrem Publikum suchen. Weiterlesen

Kultur gegen rechts?

von Ingo Arend

Was tun gegen rechts? Über kaum eine Frage streitet der Kulturbetrieb derzeit leidenschaftlicher. Reicht es noch, so das stete Memento, Ausstellungen zu eröffnen, Festivals zu besuchen oder neue Paul-Auster-Romane zu lesen, wenn gerade Demokratie, Europa und Menschenrechte geschleift werden?

Der Fotokünstler Wolfgang Tillmans beschwor dieser Tage pathetisch den „Kairos-Moment“: Historische Aufgabe der Stunde sei es, so der sonst eher zurückhaltende Liebhaber des subkulturellen Faltenwurfs, die libertäre gegen die autoritäre Gesellschaftsordnung zu verteidigen. Muss die Kultur also jetzt Aufstehen gegen rechts?

Nichts gegen Aktionen wie die „EcoFavela“, mit der sich das Hamburger Kampnagel-Theater vor zwei Jahren zur temporären Flüchtlingsunterkunft umfunktionierte. Wie wohl sie ästhetisch hinter Christoph Schlingensiefs „Ausländer raus“-Container zurückfiel. 2000 hatte der Regisseur in Wien Asylbewerber in einen Big Brother-Container gesperrt und das Publikum über deren Schicksal entscheiden lassen. Dennoch ist vor dem Trugschluss zu warnen, Kunst und Kultur ließen sich als schnelle Einsatztruppe gegen den Rechtsruck einsetzen. Weiterlesen

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