Vielleicht erinnern Sie sich – am 10. April 2019 berichtete ich darüber, wie Zoll und Berliner Polizei den Berliner Club „Mensch Meier“ stürmten und damit die nach einer großen Demonstration von Seenot-Rettern beplante Abschlussparty verhinderten. Das war am 30. März 2019. Die Linken-Abgeordnete Caren Lay wollte erfahren, was da den Zoll geritten hatte und richtete gemeinsam mit ihrer Fraktion eine Kleine Anfrage an die Bundesregierung.
Wir versprachen, über das Ergebnis zu berichten. Was hiermit geschieht.
Um es vorweg zu sagen – der Einsatz führte zwar auf Grund der insbesondere vom Zoll ausgehenden Provokation und der darauf erfolgten Reaktion des Türstehers zu dessen Inhaftierung. Aber die dem Einsatz zugrunde liegenden anonymem Vorwürfe hinsichtlich Schwarzarbeit erwiesen sich als haltlos. In ihrer Antwort bestätigt die Bundesregierung die Recherchen des „Beueler Extradienstes“, denen zufolge der als Anlass für den staatlichen „Überfall“ auf den Veranstaltungsort der Seenotretter-Party dienende anonyme Hinweis bereits über ein Jahr lang vorlag:
„Es ist zutreffend, dass für das in Rede stehende Prüfobjekt ein anonymer Hinweis vorlag. Dieser ging bei der Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales – Abteilung Arbeit und Berufliche Bildung – ein. Der Hinweis wurde von der Senatsverwaltung am 19. Februar 2018 an das Hauptzollamt Berlin mit der Bitte übersandt, diesem nachzugehen und die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen. Hinweise werden unter Berücksichtigung der Plausibilität, der vorhandenen Ressourcen und der vorgegebenen Ziele eingeschätzt. Der Hinweis wurde als glaubhaft eingestuft, da der/die Hinweisgeber/in relativ konkrete Angaben zum Aufbewahrungsort von unversteuertem Alkohol, der Höhe des damit erzielten Umsatzes sowie der angeblich von Schwarzarbeit betroffenen Tätigkeiten machte.“
Der Zoll ließ sich richtig viel Zeit: auf die Frage der Linken Bundestagsfraktion, „Wer hat nach Kenntnis der Bundesregierung wann die Kontrolle am 30. März 2019 veranlasst habe, erklärte das federführende Bundesministerium der Finanzen: „Die grundsätzliche Entscheidung zur Durchführung einer Prüfung hat die Fachgebietsleitung des Arbeitsbereiches Finanzkontrolle Schwarzarbeit des Hauptzollamts Berlin am 18. Juli 2018 getroffen“.
Und die Frage nach den Gründen, die nach Kenntnis der Bundesregierung für den konkreten Zeitpunkt der Kontrolle maßgeblich waren, heißt es: „Der anonyme Hinweis wurde bewertet und entsprechend seiner Einstufung, die eine sofortige Prüfung als nicht erforderlich erachtete, bearbeitet. Grundsätzlich war eine Prüfung an einem Wochenende aufgrund des zu dieser Zeit erfahrungsgemäß erhöhten Personaleinsatzes in einer gaststättenähnlichen Einrichtung als sachgerecht erachtet worden. Der Prüfungstag orientierte sich auch in Abstimmung mit der Berliner Polizei an den zur Verfügung stehenden personellen Ressourcen und wurde unabhängig von der an diesem Tag angesetzten Veranstaltung geplant. Der Prüfungsbeginn der Maßnahme war dergestalt vorgesehen, dass eine Beeinträchtigung des Geschäftsbetriebs weitestgehend vermieden werden sollte.“
Die Antwort der Bundesregierung bestätigt nach Ansicht von Caren Lay „dass die Zollbeamten augenscheinlich nicht als solche zu erkennen waren. Das ist von Bedeutung, weil dem Türsteher des Mensch Meier vorgeworfen wird, er hätte bewusst Polizei- und Zollbeamte am Eintritt in den Club gehindert. Der Türsteher ist inzwischen in Untersuchungshaft genommen worden. (…) Die verantwortlichen Behörden müssen sich fragen, warum ein Einsatz so schief gehen konnte, und Konsequenzen ziehen. Wieso steht eine Hundertschaft der Landespolizei bereit, aber die Zollbeamten sind nicht als solche zu erkennen? Die Antwort der Bundesregierung bestätigt die Version der Geschädigten. Es ist nicht nachvollziehbar, warum durch den verdeckten Einsatz eine Eskalation in Kauf genommen wurde. Bei dem Einsatz ist übrigens kein einziger Verdachtsfall für sogenannte Schwarzarbeit aufgenommen worden.“