Alles beschleunigt sich. Auch und besonders das Durchdrehen deutscher und europäischer Politik. Die Brit*inn*en, die den irren Boris Johnson loswerden wollten, haben sich Liz Truss eingefangen. ARD-Korrespondentin Annette Dittert/Blätter meint dazu: “Großbritannien: Vor dem Winter des Aufruhrs?”. Sie beteiligt sich an einem “Wording”, das auch hierzulande gepflegt wird: drohende “Volksaufstände”. Wenn die allerdings so penetrant “bestellt” werden wie gegenwärtig, werden sie ausbleiben. Niemand hat die Absicht, den Herrschenden einen Gefallen zu tun.
Nur ein einziges Mal, es war 1972, ist das Volk für seine Regierung auf die Strasse gegangen. Es war für Frieden und Entspannung, gegen die rechte antikommunistische Opposition, die im Begriff war, gegen eine SPD/FDP-Koalition zu putschen. Und nur knapp scheiterte.
Heute ist die Konstellation ganz anders. Die Regierung ist für Konfrontation und Waffenliefern. Die Mehrheit der Menschen, mehr die Älteren, die das schon kennen, ist dagegen. Sie wissen, was kommen wird, und die Regierung ahnt es auch: Krieg ist Krise, erzeugt zwingend Wirtschafts- und Gesellschaftskrisen – die, die schon da sind, werden vertieft und radikalisiert. Die Regierung, braucht, um ihren Kurs innergesellschaftlich zu legitimieren, einen inneren Feind, gegen dessen Bösartigkeit sie sich behaupten muss und kann. Ja, wo ist er denn? Pffft, soll sie am Ende selber schuld sein?
Während eine linke Opposition dagegen kaum mehr sichtbar und wahrnehmbar ist, bemüht der Mofa-Rabauke aus dem Sauerland seinen ganz persönlichen Irrsinnsbegriff: Tschernobyl war noch nicht genug. Saporischschja ist es auch nicht. Und Fukushima – war das nicht die doofe Merkel, die ihm seinen Lebenslauf versaut hat? Der Westfale an sich, so versucht der Merz seine Definitionsmacht auszuspielen, lernt nichts, überhaupt nichts, aus Erfahrung und Geschichte, was ihm nicht selbst auf den Kopf fällt.
Dass bei drohenden Blackouts AKWs nicht die Lösung, sondern das Problem sind, ist in und aus Frankreich bekannt. Aber wir wollen uns doch von Fakten nicht unsere Politik kaputtmachen lassen.
Wenn die Opposition also so scheisse ist, was soll die Regierung dann bedrohen? Gegen wen soll sie kämpfen und rechtbehalten? Wissenschaftler? Puuh, da ist ein Namensvetter von mir, mir nicht persönlich bekannt, der hat was am 9-Euro-Ticket auszusetzen. Offensichtlich hat er sich mit der Materie ernsthaft beschäftigt. Ist nicht alles falsch, was der sagt. Oder?
Davon werden sich aber Parteien und Politiker*innen nicht irritieren lassen. Wenn sie was können, dann das. Das beweist nun schon seit 50 Jahren ihre Klimapolitik. Vor 50 Jahren war nicht nur Olympiaattentat, sondern auch “Grenzen des Wachstums” des Club of Rome. Den gibt es immer noch, der hat immer noch was zu sagen. Aber haben Sie unter unseren Herrschenden jemand bemerkt, die*der das zur Kenntnis, oder gar ernst nimmt?
Die Klimakatastrophe spielt in Russland
Gestern hat mir Technology Review/Heise-Verlag den Tag verdorben. Hanns-J. Neubert schreibt dort ganz richtig: “Klimaschutz ohne Russland geht nicht. Aber das Klima wartet nicht ab, bis der Krieg ausgefochten ist.”
Versuchen Sie mal über folgende Fakten nachzudenken: “Russland … ist der viertgrößte Treibhausgasemittent nach China, USA und Indien, vor Japan und Deutschland … Die borealen Wälder Russlands … Das ist mehr als doppelt so viel, wie der Amazonas-Regenwald. … (Brände) 2021 in den Monaten Juni bis August 960 Megatonnen Kohlenstoffdioxid (CO2) zusätzlich in die Atmosphäre. Eine Fläche größer als … (nicht das “Saarland”, sondern 16mal grösser) die Schweiz löste sich damals in Rauch auf. … Dazu leidet das Land unter dem tauenden Permafrost der nördlichen Tundra, der Häuser zum Einsturz bringt und Infrastrukturen zerstört, und aus dem Unmengen Methan aufsteigen. Das Treibhausgas verbleibt zwar nur 12 bis 30 Jahre in der Atmosphäre, ist dafür aber 28 Mal stärker klimawirksam als CO2.”
Dä. Also warum noch Klimaschutzpolitik, wenn Kriegführen und Waffenliefern gegen das Böse doch viel wichtiger ist? Eins nach dem andern? Is ja noch Zeit …
Sehr geehrter Herr Böttger,
da drehen Sie aber die Fakten um: es handelt sich nicht um “Kriegführen gegen das Böse”, sondern um die Verteidigung eines Landes, das Opfer eines Angriffskrieges wurde. Der Agressor ist offensichtlich.
Daß der “Klimaschutz” (eigentlich Menschenschutz, das Klima wird´s überleben) leider sträflich vernachlässigt wird, weil die Politik offenbar nur eindimensional denken kann, sei Ihnen gerne zugestanden.
Liebe*r E. Becker, in der Bewertung des Ukrainekrieges unterscheiden wir uns nicht. Entsetzt bin ich “lediglich” über die öffentlich sichtbare Prioritätensetzung unserer (und anderer) Regierungen. Mit diesem Professor (https://www.heise.de/tp/features/Was-wir-jetzt-erleben-ist-der-Zusammenbruch-der-Diplomatie-7254685.html) bin ich in vielen Angelegenheiten anderer Meinung. In diesem Fall allerdings nicht.
Naja, das Wesen der Geheimdiplomatie ist eben, daß sie geheim ist.
Was kann also Herr Prof. Hacke darüber wissen?
Leider verfolgen manche, die zu einer geheimen Mittlerrolle geeignet wären, so sehr auch eigene Ziele, daß das Unterfangen von vornherein wenig Aussichten hat.
Ich bin sicher, daß Kanäle bestehen. Die Frage ist nur, wann Herr Putin zugänglich wird für eine beiderseits gesichtswahrende Initiative.