Warum Lateinamerikas geopolitische Relevanz nicht nur als China-USA-Konflikt erklärbar ist
Die Welt befindet sich im Übergang von der unipolaren zur multipolaren Welt. Das bringt auch Lateinamerika in eine neue geopolitische Konstellation. Vor allem die USA, China, Indien und Russland bilden die neuen Machtzentren und stärken das Gewicht des globalen Südens. Die USA verlieren, China gewinnt an Einfluss, lautet die schnelle Erklärung. So einfach ist es jedoch nicht.
Die geopolitische Lage Lateinamerikas schien seit dem zweiten Weltkrieg bis in die 1990er-Jahre hinein eingefroren, denn trotz einiger gradueller Verschiebungen gehörte der Kontinent als „Hinterhof“ zum unumstrittenen Einflussgebiet der USA, das durch die Monroe-Doktrin von 1823 mit zahlreichen Verschärfungen unter nachfolgenden US-amerikanischen Präsidenten (Roosevelt, Truman und Kennan) festgeschrieben war. Auf dieser Grundlage fanden direkte militärische Interventionen der USA in souveräne lateinamerikanische Staaten wie in Guatemala 1954 und in der Dominikanischen Republik 1965, Unterstützung von Putschen zur Verhinderung progressiver Regierungen wie in Chile 1973, in Venezuela 2002, in Ecuador 2010 und Bolivien 2019 bis zu politischen und ökonomischen Destabilisierungsaktivitäten gegenüber missliebigen Regierungen wie in Venezuela, Bolivien, Kolumbien und Cuba statt.
Erst ab Mitte der 1990er-Jahre änderte sich diese Situation durch den als „American Decline“ bekannten rückläufigen Einfluss der USA und erzeugte tiefe Löcher in der Monroe-Doktrin. Ausgelöst wurde der Decline durch die USA selbst, die sich nach dem Ende des Ost-West-Konflikts, ihrer Hegemonie in Lateinamerika sicher, stärker anderen Regionen wie Nordafrika, Osteuropa und Asien zuwendeten. Obama erklärte sogar offiziell das Ende der Monroe-Doktrin. Das gleichzeitige wirtschaftliche Vorrücken Chinas und Russlands in Lateinamerika half den lateinamerikanischen Ländern dabei, ihre Beziehungen zu diversifizieren, sich von der US-amerikanischen Hegemonie zu lösen und ihre Autonomie auszubauen. Als dann Trump diese Entwicklung stoppen wollte und sich wieder offiziell zur Monroe-Doktrin bekannte, existierten bereits wirtschaftliche, aber auch realpolitische Tatsachen, die nicht so einfach rückgängig gemacht werden konnten. Chinas wirtschaftspolitischer Einfluss in Lateinamerika zog mit den USA gleich und überholte ihn in einigen Staaten, aber auch Russland investierte in volkswirtschaftlich relevanten Bereichen. Chinas Handel mit Lateinamerika und der Karibik ist von 18 Milliarden Dollar 2002 auf 450 Milliarden im Jahr 2021 angestiegen, während der Handel mit den USA stagnierte. Bis 2035 wird ein Anstieg des Handels mit China auf 700 Milliarden US-Dollar erwartet. Aber auch der Handel mit Russland kam auf ein beachtliches Niveau, zum Beispiel importierten Brasilien (85 Prozent), Argentinien und Mexiko einen großen Anteil von Düngemitteln aus Russland. 37 Prozent der Soja- und 21 Prozent der Zuckerexporte Brasiliens gingen nach Russland. Argentinien exportierte 20 Prozent seiner Zitronen und 38 Prozent der Mandarinen und Uruguay einen Großteil seiner Milchprodukte nach Russland. Auch politisch näherten sich die lateinamerikanischen Staaten China und Russland an, wovon eine Reihe von Staatsbesuchen zeugen. Was die Beziehungen zu China und Russland für Lateinamerika so attraktiv machte, dass sie oft als Win-win-Beziehung betrachtet wurde, waren die politische Zurückhaltung beider globaler Mächte bei der Einmischung in innere Angelegenheiten sowie wirtschaftliche, soziale und medizinische Hilfen wie die Lieferung von Impfstoff, Sonder- und Hilfskredite und Installierung von Fertigungsketten.
Geopolitische Reserve
Allerdings hatten die USA die militärpolitische Hegemonie in Lateinamerika mit dem Ausbau ihrer 75 Militärstützpunkte, der Militarisierung der Drogenbekämpfung und Migrationseindämmung, der Forcierung des Waffenhandels und der Einbeziehung Kolumbiens und Brasiliens in die NATO nicht verloren, sondern bauten diese, ebenfalls unter Obama, weiter aus. Auch verstärkten die USA die Konfrontations- und Sanktionspolitik gegenüber missliebigen Ländern wie Venezuela, Cuba und Nicaragua. Mit dem Ausbruch des Ukraine-Krieges und dem wirtschaftlichen Aufholen Chinas und Russlands übten die USA nunmehr erheblichen Druck auf Lateinamerika aus und entdeckten den „Hinterhof“ als geopolitische Reserve wieder neu. Lateinamerika sollte seiner Rolle als bisheriges schier unangefochtenes US-Ressourcenreservoir aus „Vor-Decline-Zeiten“ wieder gerecht werden, zumal die Ressourcenlage auf dem Weltmarkt, besonders von strategisch wichtigen Produkten wie Erdöl, Gas, Uran, Getreide, Lithium und Kohle, die in Lateinamerika reichlich vorhanden sind, immer schwieriger wurde.
Präsident Biden proklamierte vorerst eine „neue Lateinamerikapolitik auf Augenhöhe“, die das verloren gegangene Vertrauen der lateinamerikanischen Staaten in die USA zurückholen und den Einfluss von China und Russland zurückdrängen sollte. Zunächst kamen die Versuche von Biden zur Reorganisation des „Hinterhofes“ einer „freundlichen Umarmung“ gleich, die unter dem Label gemeinsamer Interessenlagen in der Frage von Migration, Klimaschutz und Verbrechensbekämpfung vollzogen wurde. Auch die EU und westliche Organisationen wie die Gruppe der 7, das Weltwirtschaftsforum von Davos, die NATO mit der Strategie der „Globalen NATO“ und schließlich das Forum EU-Lateinamerika und Karibik starteten eine Charmeoffensive gegenüber Lateinamerika mit finanzwirtschaftlichen „Lockangeboten“.
Aktive Blockfreiheit
Doch stießen die westlichen Vorstöße in Lateinamerika auf die zweite „Rosa Welle“ von Mitte-Links-Regierungen in Argentinien, Mexiko, Bolivien, zunächst Peru, Kolumbien, Brasilien und Honduras (die erste „Rosa Welle“ ging von den späten 1990er- bis in die späten 2000er-Jahre hinein). Außenpolitisch strebten diese Regierungen den Ausbau der Autonomie, ausgeglichen-distanzierte Beziehungen zu den Weltmächten, eine Zurückweisung der US-Hegemonie, eine stärkere Süd-Süd-Zusammenarbeit, besonders in den BRICS und der Gruppe der 20, und eine Renaissance der regionalen Integration an. Dies wird als Politik des „Active Non-Alignment“ (aktive Blockfreiheit) bezeichnet. Auch neoliberale Präsidenten wie Lacalle in Uruguay und selbst Bolsonaro in Brasilien profitierten von der wirtschaftlichen Kooperation mit China und Russland. Die strategischen Partner Russlands und Chinas wie Cuba, Venezuela und Nicaragua befanden sich sowieso auf Konfrontationskurs mit den USA. Da diese Länder zunehmend in eine lateinamerikanische politische Integration, zum Beispiel in der 2010 gegründeten Gemeinschaft lateinamerikanischer und karibischer Staaten (CELAC), eingebunden sind, gewinnen auch sie an Bedeutung. In der Frage der Zurückweisung der US-Hegemonie mitsamt ihren Verbündeten waren sich fast alle lateinamerikanischen Länder einig, sodass man Lateinamerika in dieser Frage als eine brüchige, aber an Gestalt gewinnende und um mehr Autonomie ringende geopolitische Einheit verstehen kann. Die geopolitische Relevanz des Kontinents nahm somit innerhalb der letzten 15 bis 20 Jahre in einer multipolaren Welt zu.
So war es kein Wunder, dass das Umschwenken der USA unter Biden von einer zunächst sanften Hegemoniepolitik auf eine härtere Gangart zu Empörung bei den lateinamerikanischen Staaten und zur Verstärkung ihrer Autonomiebestrebungen führte. Innerhalb der US-Lateinamerika-Politik erfuhr die Rolle des Süd- und Nordkommandos der USA 2022 und 2023 eine bemerkenswerte Aufwertung. Die Oberkommandierende der Südstreitkräfte Laura Richardson drang auf eine, notfalls gewaltsame, Absicherung der Ressourcen Lateinamerikas für die USA, die durch China als den größten „bösartigen Gegner bedroht“ werden, wie sie gegenüber dem Think Tank Atlantic Council formulierte. Da die USA gegenüber China auf militärischem Gebiet in Lateinamerika überlegen seien, sieht Richardson den „Haupthebel“ gegen chinesische und russische Einflüsse in der Sicherheitszusammenarbeit mit Lateinamerika und militärischer US-Präsenz. Das sei das „Einzige, was die VR China nicht tun kann“. Sie sagte: „Wir müssen mit unserem Trikot dort sein.“ Relevante Maßnahmen sind dabei Schulungen lateinamerikanischer Militärs über „US-Doktrinen und die Ausrüstung der Streitkräfte für die Interoperabilität“ und zahlreiche gemeinsame Großmanöver zwischen lateinamerikanischen und US-Streitkräften. Eine Politik der „Abschreckung“ in Lateinamerika sei unbedingt erforderlich, um den Panamakanal, die Magellanstraße und die Drake-Passage durch das US-Militär „für den Seehandel offen zu halten“, also ähnlich wie in der Straße von Taiwan die US-Präsenz zu stärken. Als Orientierungshilfe verwies Richardson auf die Erfahrungen der USA „wie schnell wir die Ukraine mit Ausrüstung versorgen können“, zitierte amerika21.
Das „Hemisphärenargument“
Die Militarisierung der Hegemoniepolitik der USA wurde durch zivile Maßnahmen der US-Regierung, des Außenministeriums, des Kongresses und des Senats ergänzt. Dabei griffen sie das „Hemisphärenargument“ aus der Mottenkiste der Monroe-Doktrin wieder auf, also die vermeintliche Bedrohung der eigenen Hemisphäre durch ausländische Mächte. Im Februar 2022 legte der US-Senat den „Western Hemisphere Strategic Security Act“ vor, der die militärische Zusammenarbeit mit den lateinamerikanischen Nationen verstärken und den „wachsenden bösartigen Einfluss Chinas und Russlands zurückzudrängen soll“. Von Republikanern wie Demokraten wird ein härteres Vorgehen gegen die chinesische und russische Gefahr, die von Lateinamerika ausgehe, beschworen. Im Mittelpunkt stehen die Sicherung der strategischen Ressourcen, die Verhinderung chinesischer und russischer Infrastrukturprojekte wie chinesische Beobachtungssatelliten für den Amazonas in Brasilien, die chinesische Weltraumstation in Argentinien oder das russische Nuklearkraftwerk in Bolivien, die Haltung Lateinamerikas zum Ukraine-Krieg und die Chinareise des brasilianischen Präsidenten Lula 2023. Die Verschärfung der US-Politik gegenüber Lateinamerika mit einem militärischen Impetus macht deutlich, dass der globale Konflikt zwischen den Großmächten auch in Lateinamerika ausgetragen wird – mit Verschärfungspotenzial.
Waffenstillstand und konkrete Verhandlungen
Das Ringen Lateinamerikas um Äquidistanz und eine größere Autonomie in der Welt zeigte sich besonders deutlich in der Haltung zum Ukraine-Krieg. Zwar lehnen fast alle lateinamerikanischen Staaten in der UNO die Invasion Russlands in die Ukraine ab, doch waren sie nicht zu einer Verurteilung Russlands bereit. Dies hängt mit der Ursachendefinition des Ukraine-Krieges und mit der Anerkennung des „Rechts der Staaten auf nationale Sicherheit“ zusammen. Einerseits verurteilen die lateinamerikanischen Staaten die Verletzung der Souveränität und Integrität der Staaten und die Anwendung von Gewalt in den internationalen Beziehungen, andererseits wird von ihnen das Recht auf nationale Sicherheit ebenso hoch geschätzt. Durch das nicht verhandelte unentwegte Vorrücken der NATO an die Grenzen Russlands und die Gefahr des NATO-Eintrittes der Ukraine, einem Land von besonderer geostrategischer und kultureller Wichtigkeit für Russland, folgen die meisten lateinamerikanischen Regierungen dem Argument des Bedrohungsszenarios Russlands und beklagen den nicht vorhandenen Willen des Westens, mit Russland zur Konflikteindämmung verhandelt zu haben, um einen Krieg in der Ukraine zu vermeiden. Außerdem verweigerten alle lateinamerikanischen Staaten eine Beteiligung an Wirtschaftssanktionen und lieferten trotz westlicher Bitten keine Waffen und Munition an die Ukraine. Diese Einstellungen waren logische Folge der eigenen Erfahrungen mit der Monroe-Doktrin. Das zeigte sich auch in eigenen Friedensvorschlägen, die das erste Mal vom argentinischen Präsidenten Fernández 2022 vor dem EU-Parlament und 2023 vom mexikanischen Präsidenten López Obrador und dem brasilianischen Präsidenten Lula vorgebracht wurden. Lula stellte seinen Vorschlag vor einer Reihe von internationalen Gremien vor und verhandelte mit verschiedenen Ländern, unter anderem mit Russland und der Ukraine, den USA und Deutschland. Trotz aller Unterschiede hatten alle lateinamerikanischen Pläne gemeinsam, dass sie erst einen Waffenstillstand und dann konkrete Verhandlungen zwischen den Konfliktparteien, die auch Kompromisse auf beiden Seiten einschließen, vorschlugen. Der Unterschied zur westlichen Position besteht darin, dass letztere bisher für einen „Sieg“ der Ukraine eintritt, der keine Kompromisse und ein Kriegsende in weiter Ferne vorsieht und somit viele Tote, erhöhte Wirtschaftsrisiken, vor allem für den globalen Süden, und einen Atomkrieg riskiert.
Gewachsene geopolitische Relevanz
Die gewachsene Autonomie Lateinamerikas zeigte sich auch in einer verstärkten Süd-Süd-Zusammenarbeit innerhalb der G20, in der Mexiko, Argentinien und Brasilien Mitglieder sind, und den BRICS, in denen Brasilien Mitglied ist. Eine Reihe weiterer lateinamerikanischer Staaten will diesen beiden Bündnissen beitreten. Lateinamerika nimmt auf die Haltungen dieser Organisationen zu globalen Problemen wie dem Ukraine-Krieg Einfluss und erhält umgekehrt Unterstützung für die eigenen Positionen. 2023 bemühten sich 21 lateinamerikanische Staaten um eine Teilnahme an der „Belt & Road-Initiative“ Chinas. Zur Stärkung der Autonomie gehört auch das Bestreben Lateinamerikas, die regionale Integration wie den „Markt des Südens“ Mercosur, die „Union Südamerikanischer Nationen“ Unasur und die „Karibische Gemeinschaft“ Caricom neu zu beleben. Dabei sticht besonders die 2010 gegründete „Gemeinschaft lateinamerikanischer und karibischer Staaten“ CELAC hervor, die die OAS (Organisation Amerikanischer Staaten), in der die USA das Sagen haben, ersetzen soll. In der CELAC sind alle lateinamerikanischen und karibischen Staaten Mitglied, auch Cuba, Venezuela und Nicaragua, die nicht Mitglieder der OAS sind. Die USA und Kanada wiederum sind nicht Mitglieder bei der CELAC. Die regionalen Organisationen können die Positionen lateinamerikanischer Staaten nach außen bündeln und eine höhere globale Kompetenz erreichen, was in einigen Fällen wie dem letzten „Summit of the Americas“, bei dem sie den USA in mehreren Fragen widerstanden, bereits sichtbar wurde. Initiativen wie die Lithiuminitiative der Länder des Lithiumdreiecks, die Umweltinitiativen Brasiliens oder das Amazonas-Treffen in Belém 2023 sind ebenfalls Ausdruck einer verstärkten Süd-Süd-Zusammenarbeit und regionalen Integration.
Resilienz gegen westliche Hegemoniebestrebungen?
Die gewachsene geopolitische Relevanz und Autonomie Lateinamerikas ist jedoch keineswegs unumkehrbar. Sie hängt in entscheidendem Maße mit der lateinamerikanischen Resilienz gegen westliche Hegemoniebestrebungen zusammen. Sie kann durch eine Reihe von Faktoren in Gefahr geraten. Dabei stehen die Brüche der zweiten „Rosa Welle“ ganz vorn, die sich durch die Machtergreifung neuer rechter neoliberaler und neokonservativer Regierungen manifestieren: in Ecuador durch Lenín Moreno 2017-2021 und Guillermo Lasso ab 2021, in Uruguay durch Alberto Lacalle ab 2020, in Peru durch den Putsch gegen den linken Präsidenten Pedro Castillo 2022 durch Dina BoluARTE, in Paraguay durch den Sieg Santiago Peñas 2023, in Argentinien durch den Vorwahlsieg des rechtskonservativen radikalliberalen Javier Milei 2023, der die Wirtschaft dollarisieren will. Auch wenn Milei bei den Präsidentschaftswahlen im Oktober 2023 nicht gewinnen sollte, gibt es in dem Land aufgrund der prekären Wirtschaftslage mit einer Inflationsrate von 115 Prozent und der neoliberalen Zerstörung der Wirtschaft durch vorherige Präsidenten und den Internationalen Währungsfonds einen Rechtsruck. Dieser wird wahrscheinlich zu einem Zurückfahren des konsequenten Autonomiekurses der derzeitigen Regierung führen. Nicht zu unterschätzen sind die Schwierigkeiten, denen die lateinamerikanischen Mitte-Links-Regierungen durch Proteste von rechts (rechtskonservativer Populismus, evangelikale Bewegungen, organisiertes Verbrechen) und soziale Probleme gegenüber stehen, die das außenpolitische Potenzial beeinflussen. Ehemals linke Regierungen in Nicaragua und Venezuela setzen ihre Anerkennung durch zunehmend repressive autoritäre Tendenzen aufs Spiel und gefährden die Einheit der lateinamerikanischen Staaten. Aber auch globale Faktoren können den Autonomiezuwachs der lateinamerikanischen Staaten bremsen oder gar umkehren. Die momentan schwächelnde chinesische Wirtschaft, deren Industrieproduktion, Immobilieninvestitionen und Einzelhandelsumsätze zurückgehen und deren Erwerbslosenquote, besonders unter Jugendlichen, ansteigt, könnte zu einem Rückgang des China-Wachstumseffekts für Lateinamerika führen. Investitionen und wirtschaftliche Hilfeleistungen wie Hilfskredite oder Kreditgarantien hat China in Lateinamerika bereits zurückgefahren. Die Schaffung eigener Währungen zwischen lateinamerikanischen Staaten und innerhalb der BRICS und die beabsichtigte Entdollarisierung wird durch die Erholung des US-Dollars infolge des Aufschwungs der US-Waffenindustrie und der staatlichen Ukraine-Hilfeleistungen, die letztendlich zu 80 Prozent der US-Wirtschaft zugutekommen, erheblich erschwert.
Ich möchte den Artikel nicht wie üblich mit einem Fazit, sondern mit einer Frage beenden: Werden nationalstaatliche Regierungen mit kapitalistischer Orientierung in Lateinamerika langfristig das Potenzial haben, eine friedliche multipolare Welt mit aufzubauen, oder könnten emanzipatorische Bewegungen mit dem Ziel einer antikapitalistischen Ordnung, einer partizipativen Demokratie und einer globalen Vernetzung von unten auf lange Sicht nicht doch das nachhaltigere Modell für eine friedliche und multipolare Welt sein?
Dieser Beitrag ist eine Übernahme aus ila 468 Sep. 2023, hrsg. und mit freundlicher Genehmigung der Informationsstelle Lateinamerika in Bonn. Zwischenüberschriften wurden nachträglich eingefügt.
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