Beueler-Extradienst

Meldungen und Meinungen aus Beuel und der Welt

Autor: Stefan Peters, Informationsstelle Lateinamerika (Seite 3 von 7)

Paz Total in Kolumbien?

Der Weg zum kompletten Frieden ist noch lang

Think Big! Dieser Devise scheint die kolumbianische Regierung in der Friedenspolitik zu folgen. Gleich nach dem Amtsantritt im August 2022 machte der neue Präsident Gustavo Petro den Frieden zur Chefsache. Dies bedeutete nicht nur eine Kehrtwende im Vergleich zu seinem Vorgänger im Präsidentenamt Iván Duque. Letzterer torpedierte während seiner Amtszeit (2018-2022) den Friedensprozess mit der ehemaligen Guerilla FARC-EP (Fuerzas Armadas Revolucionarias de Colombia – Ejército del Pueblo) und sorgte damit für quälend langsame Fortschritte bei der Implementierung. Gustavo Petro repräsentiert das Gegenteil. Mehr noch: Seine Regierung möchte die Geschichte der Gewalt im Land beenden und den Friedensprozess komplettieren. Weiterlesen

Wertschätzung

Zwischen Würze, Vielfalt und Unbehagen – Die peruanische Küche und ihre Wertschätzung

Zwei Dinge sind unbestreitbar: das Ausmaß der Armut, unter der viele Peruaner*innen heute leiden, und die Anerkennung, die die peruanische Küche und Gastronomie in den letzten Jahrzehnten erlangt hat. Es ist wichtig, dass wir uns darüber im Klaren sind, was gemeint ist, wenn heute von der „peruanischen Küche“ gesprochen und diese gerühmt wird. Die Rede ist von der Gastronomie, ihren Merkmalen, ihren Unterschieden und davon, wie sie sich an die Spitze der Konstruktion einer sogenannten „peruanischen Identität“ gesetzt und wie sie regionale, nationale und internationale Grenzen überschritten hat, um sich neben den berühmten und weltweit anerkannten Küchen zu behaupten. Dieses gastronomische und kulinarische Phänomen hat heute großen gesellschaftlichen Einfluss auf Politik und Wirtschaft, aber auch auf pädagogische, soziale und kulturelle Bereiche, etwa auf gesellschaftliche Aufstiegsträume. Weiterlesen

Lithiumabbau und Landraub

Gegen Landraub und Lithiumabbau in Jujuy – Aufstand in der Provinz und indigene Proteste in Buenos Aires

Im Juni peitschte Gerardo Morales, Gouverneur der Provinz Jujuy im Norden Argentiniens, eine Reform der Provinzverfassung durch, mit der soziale Proteste kriminalisiert, der Landraub indigener Territorien forciert und damit der Zugang internationaler Konzerne zu den Lithiumvorkommen erleichtert werden soll. Dagegen erhob sich ein breiter Widerstand. In der Provinz herrscht weiterhin Unruhe, und indigene Gemeinschaften trugen den Protest mit dem „Malón de la Paz“, der „Friedensinvasion“, bis nach Buenos Aires. Weiterlesen

Die eine da oben – die vielen da unten

Über die unterschiedlichen Frauenperspektiven in der peruanischen Krise

Der Versuch Pedro Castillos, am 7. Dezember 2022 den Kongress aufzulösen, endete damit, dass der Präsident wegen Rebellion und Verschwörung verhaftet wurde und Vizepräsidentin Dina BoluARTE sein Amt übernahm. Darin sahen viele Indigene im andinen Hochland einen erneuten Versuch der Eliten, ihre auf Ausgrenzung der autochthonen Bevölkerung basierende Herrschaft zu zementieren. Die aggressiven, stets mit rassistischen Untertönen gespickten Kampagnen gegen Castillo waren kaum anders zu verstehen. Seit klar ist, dass Dina BoluARTE einen Pakt mit den weißen Eliten und der Rechten eingegangen war, um ihre Präsidentschaft zu sichern und Neuwahlen zu verhindern, kommt es vor allem in den südlichen Andenregionen zu immer wieder aufflammenden Massenprotesten, in denen Frauen eine entscheidende Rolle spielen. Weiterlesen

Worte und Gedanken in Bilder verwandelt

Er verwandelte Worte und Gedanken in Bilder – Abschied von Hans-Georg „Aldi“ Aldenhoven (1960-2023)

Wenn es jemanden gab, der das Gesicht der ila geprägt hat, dann war es Hans-Georg Aldenhoven, den alle nur Aldi nannten. Über mehr als 20 Jahre hat er nahezu jede Titelseite der ila gestaltet und war in der Zeit unser aktivster und produktivster Layouter. Als er Ende der Achtzigerjahre zur ila kam, war er in der linken Szene Bonns bekannt wie ein bunter Hund. Wann immer es für eine Veranstaltung einer Initiative ein Plakat oder ein Transparent zu machen gab, hieß es, „Fragen wir doch Aldi“. Weiterlesen

Lateinamerikas Streben nach Autonomie

Warum Lateinamerikas geopolitische Relevanz nicht nur als China-USA-Konflikt erklärbar ist

Die Welt befindet sich im Übergang von der unipolaren zur multipolaren Welt. Das bringt auch Lateinamerika in eine neue geopolitische Konstellation. Vor allem die USA, China, Indien und Russland bilden die neuen Machtzentren und stärken das Gewicht des globalen Südens. Die USA verlieren, China gewinnt an Einfluss, lautet die schnelle Erklärung. So einfach ist es jedoch nicht. Weiterlesen

Mit Freihandel gegen China?

Dass die EU das geplante EU-Mercosur-Abkommen mit gemeinsamen Werten begründet, ist scheinheilig

„In Zeiten großer geopolitischer Veränderungen wie heute müssten gleichgesinnte Freunde wie die EU und Lateinamerika näher zusammenrücken“, sagte die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen zum Abschluss des EU-Lateinamerikagipfels Mitte Juli in Brüssel. Große geopolitische Veränderungen, damit meint von der Leyen den Krieg in der Ukraine, aber auch die Expansion Chinas in der Welt. Um die aufzuhalten, soll jetzt dringend das Freihandelsabkommen mit dem südamerikanischen Mercosur unterzeichnet werden. Das sei eine scheinheilige Begründung, meint die Greenpeace-Kampaignerin Lis Cunha. Weiterlesen

Alles so schön bunt hier

Indigene Kultur als Aushängeschild des Infrastrukturprojekts Tren Maya – Wundersame Bahn CLXIII

So authentisch, so echt, so naturverbunden. „Wir Europäer*innen haben den Bezug zur Natur komplett verloren, die Indigenen dagegen leben im Einklang mit ihr.“ Oder: „Das Retreat in Tulum war ein einschneidendes Erlebnis! Ein echter Schamane hat mich wieder an die Wurzeln meines Selbst geführt.“ So oder so ähnlich klingen so manche Urlauber*innen, die von einer Reise aus Mexiko zurückkehren. Die Exotisierung (und Stereotypisierung) einer anscheinend so fernen Lebensweise ist allgegenwärtig und prägt uns alle – ob popkulturell in Film und Fernsehen vermittelt, ob als zur Schau gestelltes Karnevalskostüm oder als Souvenir auf der Fensterbank. Weiterlesen

Landraub

Im Süden von Argentinien und Chile: Mapuche kämpfen um ihre Territorien und für das ökologische Gleichgewicht

Im argentinischen Patagonien lässt ein Landbesitzer aus den Arabischen Emiraten die Quellen des Chubut-Flusses einzäunen, in Chile will das norwegische Staatsunternehmen Statkraft den Pilmaiquén-Fluss für Wasserkraftwerke nutzen, für die geplante Passstraße Lago Puelo über die Anden sollen Berge weggesprengt werden. Das Überleben der Mapuche und ihre Art des Lebens im Einklang mit der Natur sind seit über 500 Jahren bedroht. Sie wurden von den spanischen Invasoren und den später gegründeten Staaten Argentinien und Chile massakriert, und die Repression geht auf beiden Seiten der Kordillere bis heute weiter. Am modernen Kolonialismus ist zunehmend internationales Kapital beteiligt. Weiterlesen

Brasiliens Agrobusiness

Untersuchungsausschuss zur Landlosenbewegung MST – Agrobusiness und Großgrundbesitz in Brasilien lassen im Parlament ihre Muskeln spielen

Vier Jahre der rechtsextremen Bolsonaro-Regierung haben in Brasilien in den ländlichen Regionen deutliche Spuren hinterlassen. Die Landkonzentration und mithin die Landkonflikte haben zugenommen, während die Landlosenbewegung MST aus Befürchtungen, unter Bolsonaro noch mehr kriminalisiert zu werden, sich weniger auf neue Landbesetzungen als auf die Sicherung der bestehenden MST-Ansiedlungen konzentriert hat. Mit der Wahl Lulas blicken alle gespannt auf die Frage, ob die Agrarreform ebenso wie Landbesetzungen wieder an Fahrt aufnehmen und ob sich das mächtige Agrobusiness dies gefallen lassen würde. Weiterlesen

Abholzung in Amazonien – deutschfinanziert?

Finanzieren deutsche Entwicklungsgelder die Abholzung in Amazonien? – Interview mit Arlen Ribeira, Präsident der Vereinigung der Grenzgemeinden des Putumayo

Wenn Regierungsvertreter*innen und Unternehmen darüber reden, mit indigenem Wissen den Klimawandel aufzuhalten, entwischt Arlen Ribeira ein müdes Lachen. Ribeira ist Uitoto und kommt aus der Gemeinde Mairidicai im peruanischen Amazonastiefland. Als Präsident der „Federación de Comunidades Fronterizas del Putumayo“ (Vereinigung der Grenzgemeinden des Putumayo), die 23 indigene Gemeinden aus dem Grenzgebiet zwischen Ecuador, Kolumbien, Peru und Brasilien versammelt, war er gerade in Bonn – bei den Vorverhandlungen zur UN-Klimakonferenz COP28. Ribeira kritisiert, wie schwierig es für indigene Gemeinden ist, Gelder aus internationalen Klimaschutzabkommen zu beantragen. Weiterlesen

Keine Revolution ohne Lieder

Der Sound des Estallido in Chile

Im Oktober 2019 begann in Chile der sogenannte „Estallido social“, die soziale Explosion. Fünf Monate lang, bis zum Beginn der Pandemie, nahmen sich die Menschen trotz aller Polizeigewalt die Straßen und Plätze, um ein anderes Chile und eine neue Verfassung zu fordern. Der Aufstand war auch eine Explosion von Kreativität. Die Demonstrationen waren von Live-Musik und Performances begleitet, und die Wände füllten sich mit Graffiti und Street-Art. Hunderte Songs wurden im und über den Aufstand geschrieben. Weiterlesen

Ende des Paktes mit den Eliten

Die Umstrukturierung der kolumbianischen Regierung soll Reformvorhaben erleichtern

Als der linksliberale kolumbianische Präsident Gustavo Petro im August 2022 sein Amt antrat und seine Regierung präsentierte, reagierten die internationalen Mainstreammedien durchaus wohlwollend. Vor allem wurde gelobt, dass Petro einer Reihe liberaler und konservativer Politiker*innen aus der alten Machtelite wichtige Positionen in seinem Kabinett anvertraut hatte. Damit schien gesichert, dass sich die versprochenen Veränderungen in engen Grenzen halten würden. Weiterlesen

Wem nutzt die territoriale Neuordnung?

Mexiko: Logistik und Infrastrukturprojekte im Dienst von Militär und Großunternehmen / Wundersame Bahn CLII

Der ärmere, ländlichere Süd-Südosten Mexikos soll in höherem Maße industriell entwickelt werden. Jedenfalls, wenn es nach den Plänen des mexikanischen Präsidenten Andrés Manuel López Obrador geht, der dieses Vorhaben unter dem Begriff der territorialen Neuordnung in Angriff nimmt. Arbeitsplätze, Wohlstand und Entwicklung sind die Versprechungen der Regierung. Bisher fehlt jedoch ein leistungsfähiger Anschluss an den Weltmarkt, um Rohstoffe und Produkte ein- und ausführen zu können. Kernstück des Projektes, dies zu verändern, sind zwei miteinander verbundene Infrastrukturprojekte, der „Tren ,Maya’“ (1) („Maya“-Zug) und der „Corredor Interoceánico del Istmo de Tehuantepec“ (Interozeanischer Korridor des Isthmus von Tehuantepec). Weiterlesen

Energie für indigene Regionen oder für Europa?

Die neue Regierung Kolumbiens will von Bogotá aus das Land vernetzen

Mit ihren Plänen für die „nicht vernetzten Gebiete“ (Zonas No Interconectadas, ZNI) will die neue kolumbianische Regierung Energie und Kommunikation in die entlegensten, von Gewalt betroffenen und armen Territorien tragen. Der „Totale Frieden“, von der Regierung als Programm ausgerufen, schließt eine Energiewende ein. In der Guajira beruht sie auf Sonne, den Gezeiten des Pazifiks und dem Wind der Karibik. Technologie und Investitionen, die zweifellos dazu nötig sind, könnten aus Europa kommen. Dort wünscht man sich allerdings ebenfalls Zugriff auf genau diese Rohstoffe, für eigene Zwecke. Weiterlesen

Das System DHL

Leiharbeit, „Servicepartner“, mies bezahlte Geflüchtete

Am 27. April 2023 berichtete die linke Tageszeitung „nd“ über einen Arbeitskonflikt in einem DHL-Paketzentrum in Staufenberg bei Kassel. 24 dort arbeitende Kollegen, fast alle Migranten aus Eritrea und Somalia, kämpfen um die Nachzahlung von Löhnen. Der Konflikt, der inzwischen vor dem Arbeitsgericht Göttingen ausgetragen wird, wirft ein Licht auf das „System DHL“. Weiterlesen

Wir schnuppern Morgenluft

Mit internationaler Unterstützung bietet die kleine Logistik-Gewerkschaft SNTT in Kolumbien Großkonzernen wie MAERSK oder DHL die Stirn

Nicht erst mit der neuen progressiven Regierung ist ein Ruck durch Kolumbiens Gewerkschaftsbewegung gegangen. Neue Strukturen tragen dazu genauso bei wie erfolgreiche Proteste. Dafür ist die SNTT, die Gewerkschaft im Logistik- und Transportbereich, ein gutes Beispiel. Sie wächst – wenn auch langsam.

“Sin Lucha no Hay Victoria“ steht auf dem Transparent, das neben der Tür zur Zentrale der SNTT in Bogotá steht. „Ohne Kampf keinen Sieg“ heißt die Parole, die sich auch auf dem Briefkopf der Gewerkschaft findet, auf dem die wichtigsten Ziele für das Jahr 2023 aufgeführt sind. Ganz oben steht: „Wachstum und Organisation“, ganz unten findet sich die Unterschrift von Juan Carlos Estrada, dem Präsidenten der SNTT. Weiterlesen

Pelé – der König ist Schwarz

Der Fußballkönig wollte immer „everybody’s darling“ sein und setzte trotzdem Zeichen gegen Rassismus

Pelé und Maradona sind wohl die größten Fußballer des 20. Jahrhunderts. Das heißt nicht unbedingt die besten, denn da gibt es natürlich die unterschiedlichsten Meinungen. Pelé selbst soll einmal gesagt haben, George Best sei besser als er. Pelé und Maradona sind aber die großen Mythen des modernen Fußballs. Und das bedeutet mehr, als ein genialer Fußballer zu sein.

Der Weg zum Mythos, zum Fußballgott, kennt einige grundlegende Elemente: die Herkunft aus armen Verhältnissen, den frühen Ruhm, die Krise und – fundamental – die Wiederauferstehung. Weiterlesen

Das nebulöse Etikett Populismus

Die materiellen Grundlagen politischer Phänomene

Glaubt man den großen Meinungsmedien, befindet sich die Welt seit der Jahrtausendwende in einer Epoche des Populismus. In Europa haben rechtspopulistische Parteien an Stärke und Einfluss gewonnen. In Lateinamerika stellten und stellen Links- und Rechtspopulist*inn*en in vielen Ländern die Regierungen. Politiker*innen unterschiedlicher Couleur werfen ihren Kritiker*inne*n gerne vor, mit populistischen Parolen zu operieren. Dabei weisen diejenigen, die den Begriff Populismus verwenden, durchaus darauf hin, dass er unscharf sei. Aber vielleicht macht genau das seinen Reiz aus. Weiterlesen

Im Wartesaal

Mexiko: Cubanische Migrant*innen hauchen der verrufenen Ciudad Juárez neues Leben ein

Odalys hat sich an das Leben in Ciudad Juárez gewöhnt, an die staubigen Straßen und die von Fabrikarbeit müden Gesichter. Und an ihren neuen ständigen Begleiter, die Angst. Die Grenzmetropole gilt als eine der gefährlichsten Städte der Welt. „Mein Gott, was fürchte ich mich hier“, ruft die 31-Jährige und schlägt sich die Hände auf die dunklen Wangen voller Sommersprossen. Furchtlos, das seien sie keinesfalls, die unbedarften Cubaner*innen, die die heruntergekommenen Straßenzüge besiedeln. „Wir sind erst nach Guadalupe im Juáreztal gezogen“, erzählt sie mit heller singender Stimme. „So billig wurden dort ganze Häuser angeboten.“ Was sie nicht wussten: Dass hier vor Jahren Flugblätter von Kartellangehörigen verteilt wurden, um die Bewohner*innen zu vertreiben. Weiterlesen

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