Die Ignoranz des Medienrudels ist oft zum verzweifeln. Ich hatte das hier schon zu Saudi-Arabien/Jemen hervorgehoben: es ist unfassbar, dass, was für Unsereinen eine fünfminütige Recherche-“Arbeit” ist, bei der Mehrzahl der professionalisierten Mediendinestleister schon eine Überforderung ist. Im gescheiterten “realen Sozialismus” gab es mal die Fantasie von der “allseitig gebildeten Persönlichkeit”. Sie scheint im heutigen Kapitalismus definitiv nicht möglich zu sein. Ein bisschen mehr Lesen und Lernen, das wäre schon viel.
Noch schlimmer als im Politikjournalismus sieht es beim Sport aus. Das einzige sportjournalistische Produkt des deutschen Fernsehens und seiner hunderten Programme, die WDR-Produktion “Sport inside“, beendet – sage und schreibe am 1. Oktober – seine “Sommerpause”.
In der abgelaufenen Woche wurde uns vorgespielt, dass der arme Trainer Ancelotti wegen angeblicher Erfolglosigkeit seinen gut bezahlten Arbeitsplatz loswurde. Wie lächerlich ist das denn? Nur einer, Gladbach-Fan Christian Eichler bei der FAZ, scheint es verstanden zu haben. Die Regie führten nicht die Möchtegernbosse und verurteilten Straftäter Rummenigge und Hoeness, sondern Signore Ancelotti selbst. Er wollte gekündigt werden. Das beschert ihm eine bescheidene Abfindung auf Kosten des Fußballkonzerns aus dem süddeutschen Raum. Und es beschert ihm arbeitsrechtliche Handlungsfreiheit, einen entschieden lukrativeren Arbeitsvertrag mit zukünftigen Arbeitgebern aus China auszuhandeln.
Das zeigt seinen bisherigen Arbeitgebern ökonomisch noch brutaler ihre Grenzen auf, als es die Herren Neymar, Cavani und Mbappè am Mittwoch sportlich vermochten. Jetzt stehen sie ohne Trainer da, Nagelsmann ist nicht frei oder sehr teuer; vielleicht müssen sie Tuchel nehmen, und werden schnell wieder aneinandergeraten. Es gibt viele Arbeitsplätze im Fußballbusiness, die attraktiver sind als bei ihnen. Das hatten schon intelligente Menschen wie Lahm und Eberl erkannt. Und solange die zwei egomanischen Rivalen nicht in den Ruhestand gehen, wird sich nichts bessern, sondern zuspitzen. Welcher Welttrainer oder Sportdirektor von Format will bei einem Verein anfangen, bei dem ihn angehende Fußballrentner wie Robben und Ribery erfolgreich rausintrigieren können?
Ancelotti war schon als Spieler der stille Chef im Mittelfeld des AC Milan. Die Niederländer Gullit, Rijkaard und van Basten sammelten den Ruhm ein, er machte die Arbeit, räumte für sie alles auf, übernahm so die stille Regie im Team. Je diskreter, umso effizienter. Und wer es schaffte unter Florentino Perez, der z.B. Jupp Heynckes als Champios-League-Sieger gefeuert hatte, mit einer Starmannschaft Titel zu gewinnen und reich zu werden, für den ist Rotbäckchen Rummenigge eine Nachwuchskraft.
Ob Ancelotti nun zum weiteren Bereichern nach China muss, oder im heimischen Mailand bleiben kann, wird sich sicher bald klären. Den AC Milan haben sie Berlusconi, der Geld brauchte, ja schon abgekauft. Die “Seidenstrasse” ist schon da: in Piräus (Hafen), Mailand (zwei Fußballvereine), in Italiens Textilproduktion, in Duisburg (Zugverbindung), in der Deutschen Bank u.v.m.
Ob das Zeichen für den zukünftigen hier einziehenden digitalen Kommunismus sind, wie Tomasz Konicz heute auf Telepolis fantasiert? Sicher nicht, aber Fantasie ist derzeit bitter notwendig.
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