Coesfeld, Westfleisch
Überbelegte Wohnungen, Mietwucher – Sie erinnern sich. Es ist paar Wochen her, das war vor Tönnies. Der freie Journalist Manfred Götzke, eigentlich in Berlin zu Hause, war im Kreis Coesfeld unterwegs und interviewte recht spontan rumänische WerkvertragsarbeiterInnen in ihrer Unterkunft in der Gemeinde Rosendahl. Es lohnt sich noch mal reinzuhören in seine Reportage.
Ab Minute 1.15 schildert eine rumänische Arbeiterin die Wohnverhältnisse: 8 Leute in 3 Zimmern, später sagt sie, dass sie und ihr Mann jeder 220 Euro zahlen müssen für ein kleines Zimmer und die Mitnutzung der übrigen Räume wie Küche und Bad.
Ich konfrontierte die Kreisverwaltung Coesfeld mit diesen Aussagen und fragte, wie denn im Kreis die geltenden Gesetze zu denen die Überprüfung problematischer Wohnverhältnisse ebenso gehört wie das Wucher-Verbot. 220 Euro für ein Bett sind zweifelsfrei Mietwucher, also strafbar.
Vom Kreis Coesfeld gelangte meine Anfrage vom 20. Mai auch an die Gemeinde Rosendahl. Von dort erhielt ich jetzt eine Antwort mit Datum 24.6. 2020, unterzeichnet von Bürgermeister Christoph Gottheil. Er übt dieses Amt ehrenamtlich aus. Der Mann ist jetzt natürlich voll im Stress, schließlich tritt der 2015 direkt gewählte, ehrenamtlich tätige Gemeindebürgermeister, erneut an. 2015 wurde er in einzelnen Stimmbezirken mit über 80 Prozent Stimmenanteil gewählt – gegen die gemeinsame Kandidatin von CDU und SPD. In seiner Antwort geht er mit keiner Silbe auf die Klagen der Rumänen ein, die ich allerdings zur Grundlage meiner Anfrage gemacht haben.
Nein, in Rosendahl ist die Welt in Ordnung. Statt auf den offenkundigen Mietwucher einzugehen oder die ebenfalls hinreichend dokumentierte Überbelegung der Wohnungen, stellt Gottheil bezüglich der rumänischen Arbeiter fest: “Deren Wohnsituation stelle sich unterschiedlich dar. Zum einen leben die Menschen in klassischen Mietwohnungen, teilweise auch als gesamte Familie. Daneben gibt es jedoch auch in Rosendahl Sammelunterkünfte, in denen viele Menschen auf relativ engem Raum leben.” Wegen Corona wurde auch kontrolliert- erstaunlich nur von wem: “Unmittelbar nach Corona-Ausbruch sind unseren Informationen nach direkt durch die Fa. Westfleisch wie auch einzelne Subunternehmen Wohnungskontrollen durchgeführt worden…”
“Mit Ausnahme von geringen Mängeln (z.B. Unordnung in den Räumen, keine Einwegpapiertücher auf Gemeinschaftstoilette, fehlende Desinfektionsmittel) sind dabei jedoch kein erheblichen Verstöße festgestellt worden.” Natürlich wurden auch “keine unzulässigen Überbelegungen konstatiert.” Klar es wohnten nach Angaben der Rumänin ja nur 8 Personen in drei Zimmern, von denen jeder 220 Euro von seinem Mindestlohn abgezogen bekam… Und: “Des Weiteren wurde auch gerade die von ihnen angesprochene Unterkunft in den letzten Jahren vom Ordnungsamt regelmäßig im Blick behalten….”
So geht es weiter im Schreiben. Ich stelle fest, mein Deutschlandfunk-Kollege muß irgend was Schlechtes gegessen oder was Gutes geraucht haben, und/oder die rumänische Arbeiterin hat ihn knochenhart angelogen… Wahrscheinlich beides.
Und der Bürgermeister wird ganz bestimmt wieder gewählt. Gottheil im Wahlkampf 2015: “Ich bin ein absoluter Vereinstyp”. Das glaube ich ihm sofort. Auch die Grünen unterstützen ihn.