Den Fans gab der BVB ein bisschen Liebe zurück – bei einem fussballerischen Offenbarungseid

Als Fan der wahren Borussia muss ich gerade lästern – tiefer sinken als gestern geht kaum. Was ich also im Folgenden lästere und kritikastere, kommt aus demütig-defensiver Position. Vor dem gestrigen Nicht-mehr-Clásico hatte ich angedroht: “Bei 0:3 nach 10 Minuten gehe ich – und bei 0:4 zur Pause gehe ich auch.” Gemessen daran, war es gestern ein freudvoller antidepressiver Abend. Das sahen alle so in meiner gut besetzten, aber längst nicht mehr überfüllten Beueler Fussballkneipe. Da war niemand, die*der sich nicht über das sportlich gerechte Endergebnis von 2:0 für den BVB freute.

Es sind diese Überraschungen und Unberechenbarkeiten, die echte Fussballfans erfreuen und beschäftigen, und den Fussball für den Kapitalismus und seine sog. “Investoren” – noch! – widerspenstig machen. Es wird immer seltener. Und dass nun ausgerechnet der vielleicht unsympathischste aller deutschen – in Wahrheit multinationalen, globalen – Konzerne, deutscher Meister wird, leider sportlich völlig zurecht, macht die Sache nicht wesentlich besser.

Was die beiden Duellanten gestern fussballerisch präsentierten, war für angebliche Spitzenteams erschreckend limitiert. Der Dauermeister aus dem süddeutschen Raum hatte absolut 0 (in Worten: NULL) Ideen – lediglich Harry Kane. Und die sportlich in dieser Saison arg derangierte GmbH & Co. KGaA aus dem westfälischen Raum hatte dem immerhin den Ehrgeiz und Widerstandsgeist des Underdogs entgegenzusetzen. Mehrere vom DFB-Bundestrainer öffentlich degradierte Profis – Hummels!, Schlotterbeck, Torschütze Adeyemi (nach 70 Minuten Kampf völlig entkräftet) – gaben die beste aller Antworten: sportliche von unerwartetem Kampfgeist gespeiste Leistung. So macht die Bundesliga wieder Spass.

Realistisch betrachtet setzte aber auch der gestrige Sieger nur wenige Glanzlichter. Ich zählte 3-4. Wenn die verwertet worden wären, dürften wir uns heute gewiss über einige Explosionen an der Säbener Strasse erfreuen. Der BVB zeigte hier Potenziale, doch seiner sportlichen Führung will es nicht gelingen, die mit Kontinuität zu verbinden.

Dafür müssten nicht nur die Sensibelchen unter den hochbegabten Jungspielern innerlich stabilisiert werden, sondern auch die Solidarität im Team. Da stehen die Beratungskonzerne der Spieler und die angeschlossenen Tratsch- und Revolvermedien gegen. Die verlangen statt Fussball Entertainment und Rendite. Wir Fans haben uns dagegen entschieden.

Aber wir haben nicht die Macht im Weltfussball. Die hat das Kapital. Der Sport, den wir lieben, hat Widerstandsgeist, wird aber immer mehr in medienökonomisch unbeachtete Nischen verdrängt. Diese Unbeachtung ist politisch von Nachteil, aber ein Vorteil an Lebensqualität. Fragen Sie Hans Meyer oder Christian Streich.

Über Martin Böttger:

Martin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
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