Beueler-Extradienst

Meldungen und Meinungen aus Beuel und der Welt

Schlagwort: Brandenburg (Seite 2 von 2)

Der Bus fährt zweimal – pro Woche

Wir in Beuel haben das “Dorf in der Stadt”, Traum aller Stadtplaner*innen. Und treffen uns in spontanen Bürgerinitiativen, die Häuserfassaden retten wollen – jede*r wie sie*er will, sage ich dazu. Der Bus fährt sechsmal, in der Stunde. Wie anders in Brandenburg, das ist die Einöde rund um Berlin. Hier lässt sich studieren, was aus einer Ökonomie unten rauskommt, die von Amazon bis alnatura auf Bekämpfung und Zerstörung von Solidarität, und die Delegation von Selbstoptimierung auf das Individuum ausgerichtet ist: Altersarmut, Einsamkeit und tote Dörfer. Gute Arbeit von Vanja Budde, DLF-Landeskorrespondentin in Brandenburg, heute im DLF-Wochenendjournal.

Gefahren der Beschleunigung

It’s capitalism, stupid! Dem herrschenden Wirtschaftssystem wohnt der Megatrend des Wachstums und der Beschleunigung inne. Nur wer dabei der Grösste und Schnellste ist, und den kostspieligen Produktionsfaktor (menschliche) Arbeit radikal zurückdrängt, schafft die ersehnte Profitmaximierung. Alle anderen sind beständig bedroht vom “tendenziellen Fall der Profitrate”. Wer es bis dahin nicht begriffen hatte, bekam eine Ahnung davon, als die Digitalisierung der Produktionsverhältnisse fühlbar wurde. Ist zwar auch schon das eine oder andere Jahrzehnt so; aber die meisten sind halt Spätmerker. Das ist die Lücke für Demagogen: Weiterlesen

Wem gehören die Wohnungen?

Weiter unten: NSU-Vertuschungen / Medien und Flüchtlingspolitik
Es gibt einen ARD-Sender, der sich anmassend “Mitteldeutscher” Rundfunk (MDR) nennt. Die Namensgebung fand zu einer Zeit statt, als unter den Augen von Kurt Biedenkopf bayrische CSU-Kader den Sender der ostdeutschen Bundesländer Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen kaperten. Zum Glück hat diese Vorgeschichte an Bedeutung verloren. Der Sender wird heute von einer toughen Frau geführt, die sogar einen ehem. taz-Medienredakteur als Mitarbeiter angeworben hat. Gestern wurde ich beim Zappen im langweiligen Mittelteil von “Barnaby” auf die Wiederholung eines exzellenten Dokumentarfilms von Ariane Riecker aufmerksam. Der zeigt, wie die Immobilienhaie die Städte erobert haben Weiterlesen

NSU / Europas “Tijuana”

Thomas Moser/telepolis hat zum Fall Amri, dem Attentat auf dem Berliner Breitscheidplatz vor zwei Jahren, seitdem journalistisch beispielhaft gearbeitet. Sickert heute endlich weniges davon in die breite Öffentlichkeit? Ein Versäumnis-Geständnis des Berliner LKAs wird heute breiter gemeldet, als Mosers Erkenntnisse zuvor. Mund abputzen – weitermachen! Moser selbst lässt weiterhin keinen Untersuchungsausschuss zu den NSU-Verbrechen unbeobachtet: hier der Stand aus Brandenburg.
Ähnlicher Kontrast in der Flüchtlingspolitik. Aus dem mexikanischen Tijuana wird täglich in den TV-Nachrichten berichtet. Dabei sieht es an der EU-Grenze Kroatien/Bosnien recht ähnlich aus, wie Krsto Lazarević schon vorige Woche in der Jungle World berichtete, und seit gestern offen online steht.

Bonner fett im NSU-Skandal / Portugal

Ein Alter Herr einer Bonner Burschenschaft hängt fett im Skandal um die Mordserie der NSU-Nazis. Er war Agentenführer eines V-Mannes, der mit den Mordgesell*inn*en gut bekannt war. Diese “Arbeit” verrichtete er noch für den Inlandsgeheimdienst (“Verfassungsschutz”) des Mini-Bundeslandes Brandenburg, das ist ungefähr doppelt so einwohner*innen*stark wie Bremen, halb so viel wie der Stadtstaat Berlin. Seitdem hat er Karriere gemacht. Weiterlesen

Agenten und Nazis als Perpetuum Mobile

Brandenburg, das ist das um Berlin drumherum. In dem kleinen Klecks Berlin leben mehr Menschen, als in den unermesslichen Weiten seiner Umgebung. Das können wir in NRW uns nur vorstellen, wenn wir wal mit dem ICE dahin fahren – da ist nichts, wo man “vergessen” kann anzuhalten. Von den knapp 3,5 Mio. Brandenburger*inne*n dürfen wir wohl geschätzt die Hälfte als dem Speckgürtel angehörige Quasi-Berliner*innen annehmen. Bleiben vielleicht noch so viele übrig, wie in Hamburg (auf Saarland-Vergleiche wird verzichtet). Die meisten kennen sich wahrscheinlich persönlich.
Das vorausgeschickt, lesen Sie bitte was Thomas Moser/telepolis aus dem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss Brandenburgs, ja die haben da auch einen, müssen sie auch, zu den NSU-Nazis berichtet. Weiterlesen

Krieg der Gänse / Berlin umringt / Heimat

Manche meinen ja, dass Donald Trump US-Präsident geworden sei, hänge damit zusammen, dass sich die Dorfdeppen auf dem Land damit an den arroganten Fatzkes in den städtischen Metropolen rächen wollten. Machen Sie sich klar, liebe Leser*innen, das ist vielleicht auch schon eine Art Krieg.
Dazu folgende Symptome:

Frankfurt ist Opfer einer Invasion vom Nil geworden. Ich erinnere mich: auch Napoleon kam von dort (zurück), um anschliessend Europa zu erobern. In diesem Fall handelt es sich um keinen Napoleon, sondern um Gänse, die rücksichtslos Frankfurter Kulturerbe zerstören. Z.B. fressen sie den Frankfurter*inne*n ihre Zutaten für die Grüne Sosse weg. Weiterlesen

“Verfassungsschutz” (Bund): wir stellen ein: Mörder (auch verurteilte)

Die an Skandalen reiche Geschichte deutscher Geheimdienste wird, so weit wir sie nach der Befreiung vom Faschismus betrachten, in der Gegenwart durch die Affären NSU-Mordserie und Amri fortgesetzt von sich selbst übertroffen.
Der journnalismuspreiswürdige Thomas Moser berichtet aus dem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss des Landtages von Brandenburg. Das Bundesamt (!) für “Verfassungsschutz” in Köln war demnach frühzeitig im Bilde über einen von ihm selbst geführten V-Mann in unmittelbarer Nähe der mutmasslichen NSU-Mörder*innen. Die Behauptung, das arme Bundesamt habe ja quasi fast nichts gewusst, weil die vielen Behörden der 16 Bundesländer ihm nichts erzählt hätten, ist damit als politisch motivierte Legende entlarvt.
Die Aufklärungsarbeit wird fortgesetzt. Wir wollen es nicht wissen. Aber wir müssen.

Frankfurt wählt links

Sie meinen jetzt vielleicht, der ist aber was spät dran. Die OB-Wahl ist doch schon ein paar Tage her. Peter Feldmann kenne ich auch, als er noch in Marburg studiert hat. Er gehörte zu den “Stamokaps“, aber nicht im SHB, sondern in den Juso-Hochschulgruppen. Hat nicht das große Wort geführt, sich eher solidarisch eingereiht. Die Mädels mochten ihn: die Haare waren noch schwarz und lockig, und im Gesicht war ein Cat-Stevens-Bart. Aber den mein ich nicht.

Ich meine Frankfurt an der Oder. Das liegt noch näher an Polen als Berlin (aber nicht viel). In den 90ern, nach der Wende war ich mal dort, auf Einladung der Brandenburger Grünen. Die optischen und atmosphärischen Eindrücke in den Städten Eisenhüttenstadt, Cottbus, Frankfurt waren schon shocking. Weiterlesen

Fressen und Moral – glücklich in eins

von Ingo Arend
Internationale Grüne Woche – Hüftgoldschnitte und Insekten-Burger: Ein kultureller Blick auf ein Event, das sich das Ende des Hungers auf die Fahnen geschrieben hat.

Erst kommt das Fressen, dann die Moral. So lautet der Leitsatz, der den Vorrang des Bauchs vor der Metaphysik behauptet. Daran denkt unwillkürlich, wer dieser Tage kurz vor zehn Uhr die Berliner Messehallen von der Ostseite her betritt. Eine kritische Masse älterer Herrschaften, in der Hand eine grüne Tragetasche mit Ährensymbol, leckt erwartungsvoll die Lippen und wartet darauf, dass sich die Stahltüren nach oben rollen. Der Run auf die Fleischtöpfe kann beginnen.

Die Grüne Woche, dem ökofloralen Subtext im Titel zum Trotz, ist noch immer der Karneval der Karnivoren. Rotes Fleisch, wohin das Auge reicht auf den 116.000 Quadratmetern der größten Ernährungsmesse der Welt. Besonders in Österreich wachsen die Wurstträume noch in den Himmel. Wie ein Symbol der allgemeinen kulinarischen Horizontverengung hängen bei einem brandenburgischen Anbieter geringelte „Sauschwänzchen“ wie Gardinen am Stand.

Vor der Weihnachtsbauminstallation einer belgischen Schinkenräucherei schwinden manchem Kostgänger die Sinne. Und vor den Ständen Schwedens stauen sich die Schlangen für Elchburger. Man sollte meinen, die Zeiten der Grünen Woche als Fett- und Kraftreserve des Nachkriegs seien vorbei. Es mögen Kaffeekirschen und Gemüsechips ja inzwischen auf dem Vormarsch sein – doch noch regiert Fleisch die Welt und den Geschmack. Weiterlesen

Asymmetrische Demobilisierung

Fangen wir mit dem Lob für Martin Schulz an. Gut, dass er das Spindoktorthema mal ins Licht des Mainstreams gezogen hat. Gut auch, der Anti-Berlin-Affekt, den er bedient. Seit dieser Ort Hauptstadt ist, hat sich die Selbstreferentialität von Politik und Medien demokratieschädlich verstärkt, durch schlichte geografische Effekte. Berlin liegt am Ostrand der Republik, 80 km vor Polen. Um es – halb so einwohnerstark wie das Ruhrgebiet – herum ist nichts, ausser ein bisschen menschenleeres Brandenburg, nach Westen folgt dann ebenso menschenleeres Sachsen-Anhalt, nach Norden Meck-Pom, nur voll zu Ferienzeiten. Wie Jürgen Becker es zu Westfalen sagt: “Da kannst Du stundenlang fahren, und triffs keinen.”

Das hat direkte Auswirkungen auf das Alltagsleben unserer Volksvertreter*innen: aus Berlin sind 24, aus Brandenburg 20. Die können abends nachhause, weniger als 10%. Zu Bonner Zeiten (vor 1999) waren es Weiterlesen

Abschiebepolitik jenseits der Realität

Der Staatsbesuch des tunesischen Regierungschefs bei der Kanzlerin hat der jüngsten “unliebsame Menschen raus”-Politik der Abschiebung einen Dämpfer versetzt. Wo sich noch vergangene Woche die EU-Staatschefs mit Abwehrstrategien und Plänen nordafrikanischer Auffanglager gegenseitig Mut machten und anstachelten, war angesichts der Realitäten in Tunesien bei der Kanzlerin schnell die Luft raus. Kein Wort mehr von Lagern für Flüchtlinge aus Afrika und angesichts eines Gastes, der die Fragilität seiner Demokratie und ihrer wirtschaftlichen Probleme schilderte, bekam offensichtlich die Kanzlerin eine Ahnung davon, dass es nicht damit getan sein kann, das Problem terroristischer Gefährder einfach von einem Land ins andere zu verlagern. Weiterlesen

Es gibt noch gute Medien

Gestern berichtete das Deutschlandradio über ein selbstverwaltetes Krankenhaus im brandenburgischen Spremberg. Kannte ich nicht, gesundheitspolitisch sensationell, von der breiten Öffentlichkeit ausserhalb dieses dünn besiedelten Bundeslandes unbemerkt. There are alternatives!
Sonntag bereits sendete “Sport inside”, das sich zusehends zu einem “Weltspiegel” des Sports entwickelt. Absolut sehenswert: die Gabun-Reportage. Das Tragische: es handelt sich um die einzige TV-Sendung, egal ob öffentlich-rechtlich oder privat, die überhaupt Sportjournalismus betreibt – alle anderen Sportformate sind Produktpräsentationen, die sogar weitgehend vertraglich über die Senderechte abgesichert werden, also bei Licht besehen eigentlich Werbefernsehen. Das ist das WDR-Format “Sport inside” ganz sicher nicht, und, obwohl es nur normal-kritischen Journalismus betreibt, für dieses Alleinstellungsmerkmal grimmepreiswürdig.
Thomas Kistner ist auch ein richtiger Sportjournalist. Er berichtete diese Woche für SZ und DLF neue Vertuschungsmerkwürdigkeiten des DFB und der von ihm beauftragten Kanzlei Freshfields in Sachen “Sommermärchen” 2006. Ex-DFB-Präsident Niesbach war offensichtlich besonders darauf erpicht, seinen Vorgänger Zwanziger, der verdächtig ist Jens Weinreich/Spiegel-online mit Infos gefüttert zu haben, in ein schlechtes Licht zu rücken. Kein Medium hat nachgesetzt. Eigene Recherche erfordert bezahlte Arbeit; wer will heute noch für Arbeit bezahlen?
Einige richtige Stichworte zur aktuellen Medienentwicklung gab Lutz Hachmeister der geschätzten Kollegin Ulrike Simon. Hachmeisters wacher Geist ermüdet, ich sah ihn vor ein paar Wochen bei einer Veranstaltung seines Instituts in Köln, weil die Berliner Hauptstadtpolitik an seinen Hinweisen komplett desinteressiert ist. Medienpolitik macht in der BRD eine kleine Gemeinde, fast alle kennen sich untereinander persönlich, Selbstreferentialität in potenzierter Form. Sie sollen die Kreise derer in Berlin nicht belästigen – die so besonders anfällig bleiben für Einflüsterungen strategisch agierender Milliardär*inn*e*n (Murdoch, Malone, Mohn, Springer, Zuckerberg etc.). Diese Provinzialität in der Hauptstadt ist erschütternd.

Wladimir Kaminer hat versagt

Zunächst im deutschen Schrebergarten. In Berlin ist er rausgeflogen, zu unordentlich. Er musste raus nach Brandenburg, vielleicht sind die ostiger. Vor allem versagte er aber darin, uns seine alte Heimat Russland zu erklären. Nun ja, das ist er nun auch schon 25 Jahre weg, wie soll das gehen? Immerhin sucht er den Fehler nicht bei unserer Begriffsstutzigkeit, sondern bei sich, hier im Gespräch mit Jakob Augstein.

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