von Andreas Zumach

Viel gemacht, wenig bewirkt
Antonio Guterres war in seinen ersten knapp 100 Amtstagen sehr geschäftig. Doch zugesagte Hilfsgelder für Flüchtlinge kommen nur langsam.

Knapp 100 Tage ist Antonio Guterres UNO-Generalsekretär. Und in diesen weniger als 100 Diensttagen hat er sich beinahe schon häufiger und vor allem deutlicher zu Konflikten und Problemen dieser Welt geäußert als sein farbloser Vorgänger Ban Ki Moon in zehn Dienstjahren.
Allein in der vergangenen Woche verurteilte Guterres nicht nur den von der israelischen Regierung beschlossenen ersten neuen Siedlungsbau im Westjordanland seit 1991 als völkerrechtswidrig und als Verstoß gegen die Sicherheitsratsresolutionen 242 und 338, sondern sämtliche Siedlungen, die Israel seit 1967 in den besetzten Gebieten errichtet hat.

Die 22 Staaten der Arabischen Liga forderte der Generalsekretär auf deren jüngsten Gipfeltreffen zu größerer Einigkeit auf. Bei einem Besuch im größten syrischen Flüchtlingslager Satari im Norden Jordaniens verlangte er von den 193 UN-Mitgliedstaaten mehr Finanzleistungen für die Versorgung der zum Teil schon seit fünf Jahren in dem Lager lebenden rund 100.000 Menschen. Dieselbe Forderung erhob Guterres bereits zum wiederholten Mal mit Blick auf die Flüchtlinge aus der umkämpften nordirakischen Stadt Mossul.

Bislang zeigten die Aktivitäten und Forderungen des Generalsekretärs allerdings kaum Wirkung. Mitte Februar hatte Guterres die 193 Mitgliedstaaten aufgefordert, bis Ende März 4,4 Milliarden US-Dollar bereitzustellen, um eine drohende Hungerkatastrophe mit bis zu 20 Millionen Toten in den vier Staaten Jemen, Südsudan, Somalia und Nigeria abzuwenden. Bis Freitag vergangener Woche waren bei der UNO nur etwas mehr als zehn Prozent der 4,4 Milliarden US-Dollar eingegangen. Von der benötigten Summe für die Versorgung der Flüchtlinge aus Mossul erhielt die UNO bislang lediglich 8 Prozent.

Insgesamt hatte die UNO für all ihre humanitären Aufgaben von den Mitgliedstaaten bis zum 31. März erst 60 Prozent der Summe bekommen, die Ende März 2016 zur Verfügung stand. Und dies, obwohl sich der Bedarf seitdem noch deutlich erhöht hat.

Spürbare Finanzkrise

Die bislang in erster Linie im humanitären Nothilfebereich spürbare dramatische Finanzkrise der UNO dürfte sich noch erheblich verschärfen, sollte die US-Regierung ihre angedrohten Mittelkürzungen umsetzen. Präsident Donald Trump hatte angekündigt, die über das Außenministerium abgewickelten Beiträge an die UNO um rund 50 Prozent zu verringern. Ganz gestrichen werden sollen die Mittel für Klimaschutzaktivitäten der UNO sowie für Familienplanungsprogramme, die die Abgabe von Verhütungsmitteln einschließen. Washingtons Beiträge für die Friedensoperationen der UNO will Trump ebenfalls reduzieren.

Die Trump-Administration verbindet ihre Mittelkürzung mit der Forderung nach einer Reform und Verschlankung der UNO. „Was auch immer überholt und nicht notwendig wirkt, werden wir abschaffen“, kündigte Washingtons neue UNO-Botschafterin Nikki Haley an.

Auch Generalsekretär Guterres hatte bei seinem Amtsantritt angekündigt, er wolle die UNO effizienter machen. Doch ohne einen Konsens oder zumindest eine Mehrheitsentscheidung der 193 Mitgliedstaaten, welche Aufgaben in den nächsten Jahren Priorität haben sollen und welche wegfallen können, bleiben dem Generalsekretär nur zwei schlechte Möglichkeiten zu Einsparung und Reform: entweder die Rasenmähermethode – Haushaltskürzungen um einen bestimmten Prozentsatz durch das gesamte UNO-System. Oder die Streichung von Programmen, die der größte Geldgeber USA aus politischen Gründen abschaffen will.

Dieser Beitrag ist eine Übernahme von taz.de, mit freundlicher Genehmigung von Autor und Verlag.

Über Andreas Zumach:

Andreas Zumach ist freier Journalist, Buchautor, Vortragsreferent und Moderator, Berlin. Von 1988- 2020 UNO- Korrespondent in Genf, für "die tageszeitung" (taz) in Berlin sowie für weitere Zeitungen, Rundfunk- und Fernsehanstalten. Seine Beiträge sind in der Regel Übernahmen von taz.de, mit freundlicher Genehmigung von Autor und Verlag.