Vor zehn Jahren zog Bundespräsident Christian Wulff den Schlussstrich. Wochenlang war er Gegenstand von Vorwürfen, Spekulationen und Ungereimtheiten gewesen – über die Weihnachtsfeiertage hinweg, dann auch im neuen Jahr. Monothematische Talkshows und Schlagzeilen, bis in die Feuilletons hinein: Hat das Staatsoberhaupt gelogen, hat es sich bereichert, ungebührlich verhalten? Um falsche Auskünfte ging es, die er als Ministerpräsident von Niedersachsen vor dem Landtag abgegeben hatte, um Urlaube bei Freunden, um Hotelrechnungen und um Vergünstigungen.

Am 16. Februar 2012 wurde bekannt, dass die Staatsanwaltschaft in Hannover Ermittlungen wegen Vorteilsnahme aufnehmen werde. Tags darauf trat Wulff zurück. Deutschland brauche einen Präsidenten, erklärte er, der sich „uneingeschränkt“ den nationalen und internationalen Herausforderungen widmen könne. „Einen Präsidenten, der vom Vertrauen nicht nur einer Mehrheit, sondern einer breiten Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger getragen wird. Die Entwicklung der vergangenen Tage und Wochen hat gezeigt, dass dieses Vertrauen und damit meine Wirkungsmöglichkeiten nachhaltig beeinträchtigt sind. Aus diesem Grund ist es mir nicht mehr möglich, das Amt des Bundespräsidenten nach innen und nach außen so wahrzunehmen, wie es notwendig ist.“

Wulffs Präsidentschaft stand von Beginn an unter einem dunklen Stern. Nach dem Rücktritt von Bundespräsident Horst Köhler im Mai 2010 waren bei der Bundesversammlung drei Wahlgänge erforderlich, obwohl Union und FDP über die absolute Mehrheit verfügten. Der unterlegene Joachim Gauck erschien als Präsident der Herzen. Wulff sah sich von den Medien nicht ausreichend gewürdigt und missverstanden. Durch seine Äußerung zum 20. Jahrestag der Deutschen Einheit, der Islam gehöre auch zu Deutschland, verlor er im konservativen Lager von CDU und CSU an Rückhalt. Seine Weigerung im Sommer 2011, über die Finanzierung seines Eigenheims Auskünfte zu geben, steigerte den medialen Wunsch nach Aufklärung. Wulff erging es wie kurz davor Karl-Theodor zu Guttenberg, der – vordem ebenfalls ein Liebling der Boulevardmedien – wegen seiner plagiierten Doktorarbeit als Verteidigungsminister zurücktreten musste.

Nun wurde daran erinnert, in welcher Schärfe Wulff Jahre zuvor den Bundespräsidenten Johannes Rau attackiert hatte, als es um Finanzierung von Reisen des vormaligen NRW-Ministerpräsidenten ging. Immer neue Ungereimtheiten, Nebensächlichkeiten auch, tauchten auf. Fatale Fehler unterliefen ihm – von seinem Anruf beim Chef der Bild-Zeitung, dem er auf der Mailbox den „endgültigen Bruch“ und „Krieg“ androhte, bis hin zu einem missglückten Interview bei ARD und ZDF. Sein Sprecher Olaf Glaeseker quittierte den Dienst. CDU-Politiker sagten öffentlich, Wulff werde im Amt bleiben, sofern er alles erkläre. Doch nicht-öffentlich sagten sie, die Würde des Amtes sei beschädigt und die Parteibasis wende sich von ihm ab. Wulff aber war von seiner Unschuld überzeugt. Das Angebot der Staatsanwaltschaft, gegen die Zahlung von 20 000 Euro das Verfahren einzustellen, lehnte er ab. Im Februar 2014 wurde er freigesprochen.

Über Guenter Bannas / Gastautor:

Günter Bannas ist Kolumnist des Hauptstadtbriefs. Bis März 2018 war er Leiter der Berliner Redaktion der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Seine Beiträge sind Übernahmen aus "Der Hauptstadtbrief", mit freundlicher Genehmigung.