… öffentlich seinen Dienst aus Protest gegen den Ukrainekrieg

Mit scharfen Worten des Protests gegen Russslands Überfall auf die Ukraine hat am Montag erstmals seit Kriegsbeginn heute (24.5.) vor drei Monaten ein ranghoher Diplomat der Regierung Putin mit einer öffentlichen Erklärung seinen Posten quittiert. Boris Bondarew, seit 2019 an der russischen UNO-Mission in Genf zuständig für die Verhandlungen in der UN-Abrüstungskonferenz, erklärte in seinem Rücktrittsbrief an seinen Vorgesetzten, Moskaus UNO-Botschafter Gennadi Gatilow, er habe sich „in den 20 Jahren meiner diplomatischen Laufbahn noch nie für mein Land geschämt, wie am 24. Februar dieses Jahres“, als Putin-Russlands Überfall auf die Ukraine begann.

“Der von (Präsident Wladimir) Putin angezettelte Angriffskrieg gegen die Ukraine, ja gegen die gesamte westliche Welt, ist nicht nur ein Verbrechen gegen das ukrainische Volk, sondern vielleicht auch das schwerste Verbrechen gegen das russische Volk, dem ein fettes Z alle Hoffnungen und Aussichten auf eine blühende und freie Gesellschaft in unserem Land durchkreuzt”, schrieb der 41-jährige Diplomat in Anspielung auf das Z-Symbol, mit dem der russische Angriffskrieg offiziell unterstützt wird.

Diejenigen, die diesen Krieg geplant hätten, wollten „ewig an der Macht bleiben, in geschmacklosen Palästen leben und auf Jachten segeln“, kritisierte Bondarev. “Dafür sind sie bereit, so viele Leben zu opfern wie nötig.” Im russischen Außenministerium hätten „Desinformation und Propaganda ein Ausmaß erreicht, das an die Sowjet-Zeit der 1930er Jahre“ erinnere, schrieb er in Anspielung auf die Herrschaft unter Diktator Josef Stalin.

Namentlich kritisierte Bondarev Aussenminister Sergej Lawrow. Der Minister habe sich „in seinen 18 Amtsjahren von einem professionellen, gebildeten und bei seinen Kollegen hochangesehenen Intellektuellen zu einem Mann gewandelt, der ständig einander widersprechende Äußerungen verbreitet sowie die Welt (und damit auch Russland) mit atomaren Waffen bedroht“. Im Außenministerium gehe es „heute nicht um Diplomatie. Es geht nur um Kriegstreiberei, Lügen und Hass”.

Auf telefonische Nachfrage teilte Bondarew mit, er habe nicht nur seinen Genfer Posten aufgegeben, sondern werde vollständig aus dem diplomatischen Dienst seines Landes ausscheiden. Seit dem 24.Februar habe er seine Besorgnis über den Krieg gegen die Ukraine „mehrmals gegenüber leitenden Botschaftsmitarbeitern geäußert“, berichtete Bondarew. Doch ihm sei gesagt worden, “ich soll den Mund halten, um Konsequenzen zu vermeiden”. Er habe schließlich „keine Alternative mehr zu einem Rücktritt gesehen”, erwARTE allerdings nicht, dass viele seiner bisherigen Kollegen seinem Beispiel folgen werden.

Zunächst hätten seine Kollegen in der Botschaft auf den Krieg gegen die Ukraine “glücklich, erfreut und euphorisch reagiert, dass Russland jetzt radikale Maßnahmen ergreift” berichtete Bondarew. Inzwischen seien sie allerdings „weniger glücklich, weil wir nun einige Probleme haben, vor allem wirtschaftliche.“ Aber er erwARTE nicht, dass viele seiner Exkollegen „ihre Haltung bereuen und ändern werden. Sie werden vielleicht ein bisschen weniger radikal und viel weniger aggressiv, aber nicht friedlich.“

An der Genfer UNO-Mission Russlands waren bislang 66 Diplomatinnen und Diplomaten akkreditiert. Gerüchte über weitere Rücktritte konnten zunächst nicht bestätigt werden. Aus anderen diplomatischen Vertretungen Russlands weltweit sind bislang zumindest keine Diplomatenrücktritte öffentlich bekannt geworden. Eine von der Genfer UNO- Mission aus Moskau angekündigte Stellungnahme zum Rücktritt Bondarews erfolgte bis zum Montagabend nicht.

Über Andreas Zumach:

Andreas Zumach ist freier Journalist, Buchautor, Vortragsreferent und Moderator, Berlin. Von 1988- 2020 UNO- Korrespondent in Genf, für "die tageszeitung" (taz) in Berlin sowie für weitere Zeitungen, Rundfunk- und Fernsehanstalten. Seine Beiträge sind in der Regel Übernahmen von taz.de, mit freundlicher Genehmigung von Autor und Verlag.