Beueler-Extradienst

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Datenkapital

Neulich beim täglichen Surfen nahm ich wahr, dass der nette Kollege Dylan Cem Akalin gelegentlich im lokalen General-Anzeiger wieder über Beueler Angelegenheiten schreibt, z.B. die penetrante Lärmbelästigung durch den Flugplatz Hangelar. Akalin war lange für Beuel zuständiger Korrespondent – wenn so einer weg ist, merkt frau*mann erst, wie wertvoll er war. Einzelne Texte stehen ohne Paywall-Symbol, doch nach dem Anklicken forderte der virtuelle Revolver der Verlagsmutter “Rheinische Pest”: “Daten raus – oder raus!” Ich ging dann, mit Bedauern. Lerne: die wollen gar nicht in erster Linie Dein mickriges Geld, sondern Deine wertvollen Daten, um sie anschliessend von ihren willigen Algorithmen bespielen zu lassen – und weiter zu verkaufen. Inflation hin oder her – das ist die Kapitalwährung der Zukunft, und auch schon der Gegenwart.

Wenn nun schlechtinformierte Politiker*innen daherkommen, und die Daten haben wollen, um arme oder gar gequälte Kinder zu schützen, dann ist das eine so ultimative Demagogie, dass ich mich frage: fällt denen denn wirklich gar nichts Besseres mehr ein? Sicher, die meisten haben keine Zeit Radio zu hören. Aber sie bezahlen Leute dafür, das zu tun. Also bitte schön, abschreiben und in den Pressespiegel der*des Chef*in (Audio 8 min).

Gestern ist mir ein dummer Fehler unterlaufen, mein Kurzzeitgedächtnis hatte mir einen bösen Streich gespielt. Nicht Jenny Perelli hatte über die missratenen “Smart City”-Versuche Bolognas geschrieben, sondern Catrin Dingler in der Jungle World: “Die italienische »Smart City« Bologna will ein digitales Tugendpunktesystem einführen – Punkte für das Karmakonto – Die italienische Stadt Bologna will ein digitales Sozialkreditsystem einführen, bei dem Bürgerinnen und Bürger »Tugendpunkte« sammeln können. Das Bonussystem könnte soziale Diskriminierung verstärken.”

“Smart City” will mittlerweile jede deutsche Grossstadt sein, und noch mehr werden. Nach verbreitetem öffentlichem Raunen soll Bonn dabei noch nicht einmal weit hinten liegen. Was es dagegen in fast überhaupt keiner deutschen Stadt gibt, ist ein öffentlicher Diskurs, was und wie das genau sein soll, was die Menschen wünschen, und was lieber nicht. Bologna sieht bei Frau Dingler wie eine Stadt aus, in der das chinesische Gesellschaftsmodell den globalen Hegemoniekampf schon gewonnen hat, noch weit vor dem bevorstehenden Welthandelskrieg, den ja viele Parteifreunde unserer Oberbürgermeisterin lieber heute als morgen beginnen wollen. Will ich das in Bonn? Sicher nicht. Und ich glaube, da bin ich (noch, wir Alten sind viele) in der Mehrheit. Aber wo ist die Debatte darum?

Über Martin Böttger:

Martin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
Sie können dem Autor auch via Fediverse folgen unter: @martin.boettger@extradienst.net

Ein Kommentar

  1. Dylan Akalin

    Danke, Martín. 😊

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