“Deutsche Bank” und “Bayer”
Die Deutsche Bank, vor wenigen Jahren noch globale Mitspielerin auf allen relevanten Zockerplätzen des Kapitalismus, scheint beinahe ruiniert zu sein. In den USA hat sie sich in spielentscheidende Fallen locken lassen (u.a. toxische Hypothekenkredite und -papiere) und wurde dort nach Strich und Faden von Behörden und Gerichten milliardenschwer verurteilt (s. auch unten: Bayer). In diesem Prozess hat sie Armeen von Rechtsanwält*inn*en gut ernährt, von denen nicht wenige gerne, wie Leistungssportler*innen, mitten im Wettbewerb auch mal den Verein wechseln, und ihr gewonnenes Wissen mitnehmen und verkaufen.
Warum nur schauen sich das die grössten Grossaktionäre der Bank, das chinesische HNA-Konglomerat und der Emir von Katar so scheinbar klaglos an? Immerhin verbrennen sie dabei Kapital. Warum lohnt es sich trotzdem? Weil es vermutlich keinen Ort gibt, an dem sich die unberechenbare Orientierungslosigkeit der herrschenden deutschen Elite-Klasse besser und praxisnäher studieren lässt. Wer hier im Aufsichtsrat sitzt, muss sich dafür keinen teuren Thinktank mehr leisten.
Nach ihrem Ausflug in globale Abenteuer ist die Deutsche Bank so malade, dass sie selbst auf ihrem Heimatmarkt für nichts mehr zu gebrauchen ist. Die öffentlichen Sparkassen sind leistungsfähiger und besser informiert. Sie hätten über ihre Landesbanken ähnlich untergehen können, werden davor aber politisch geschützt, weil sie öffentliches Tafelsilber und kommunale Daseinsvorsorge und Infrastruktur sind. Immerhin konnte die KölnBonner Sparkasse weitgehend unfallfrei eine kleine Einkaufsmall am Friedensplatz bauen lassen und schlussendlich profitabel verkaufen – sowas muss mittlerweile als Kunststück bewertet werden.

Dysfunktionaler Albtraum

Die Deutsche Bank dagegen hat, wenn ich Ulrike Herrmann/taz glaube, noch nicht einmal ein funktionierendes IT-System, sondern dort, wo das installiert sein und laufen müsste, ein Schlachtfeld ihrer inneren Revier-Bürgerkriege, wie sie heute in jeder komplexen Grossorganisation unseres Landes toben. Da ist auch für den hintertrieben-listigen Olaf kaum noch was auszurichten.

“Weltmarktführer der Agrochemie” – denken Sie auch sofort:”lecker”?

Kommen wir zu Bayer, dem globalen Weltmarktführer der Agrochemie. Diese Begrifflichkeit zeigt, dass viele Glockenschläge der jüngeren Vergangenheit nicht gehört wurden. Wer es mit dem Bayer-Konzern gut meint, der*die verbindet mit ihm Assoziationen von wirksamen Schmerzmitteln und erfolgreichen Medikamenten, also ein Bild von einem Weltmarktführer der Chemie und Pharmazie, im optimalen Fall: der Gesundheit. Wenn ich mit der Bahn durch Leverkusen oder Dormagen fahre, wird dieses Bild von dampfenden Chemie-Küchen und -Rohren bestärkt. Und die “Stadt” genannten öffentlichen Flächen drumherum sind dem ästhetisch angepasst. Aber würden Sie bei diesem Anblick auf die Idee kommen, dass dort Ihr Essen und Ihre Getränke erfunden und hergestellt werden? Käme ein gesunder Mensch auf die Idee, dort erzeugte Produkte mit Genuss seinem Körper einzuverleiben?

Branding-Problem gar nicht erst ignorieren

Normal wäre das ein ernstzunehmendes Branding-Problem für die PR-Strateg*inn*en eines weltmarktführenden Konzerns. Sie müssten sich ganz andere Bilder und Narrative ausdenken, die die Menschen mit dem Bayer-Konzern verbinden sollen. Auf diesen Bildern müsste es saftige grüne Wiesen, darauf herumlaufende glückliche Kühe und Schweine und summende Bienen geben. Selbst wenn es gelogen wäre. Das doofe deutsche Geld will sich aber solche Arbeit gar nicht erst machen. Und kaufte stattdessen für teures Geld den Monsanto-Konzern, der schon fast überall auf der Welt seinen Kredit aufgebraucht hat.
Selbst als treudoofer digitaler Zeitungsleser weiss ich, dass, wenn Eigentümer*innen, evtl. geniale Erfinder*innen und Designer*innen, ihre Firma und ihre Produkte an die Börse bringen, es ihnen genug an Arbeit und Stress war, und sie rechtzeitig dafür abkassieren wollen. An deutschen Börsen klappt das bisweilen immer noch prächtig. Und ebenso geht es Konzernen in clevereren Weltregionen und Branchen: wenn es langfristig nicht mehr viel weitergehen kann, an reiche Deutsche verkaufen.
Beim Begriff Agrochemie verbinden sich in den Bildern im Kopf alle Schrecklichkeiten dieser Welt: ökonomische Abhängigkeiten, Datengier und -missbrauch, Verbreitung von Gift und Krankheiten, Ruin kleiner Existenzen, Standardisierung und Vernichtung von Tier-, Pflanzen- und Geschmacksvielfalt. Fast alles, was der Mensch nicht braucht. All das verbindet sich jetzt mit Bayer. Der Konzern ist nun ähnlich ruiniert wie die Deutsche Bank. Prognose: Zerlegung und Verkauf der Einzelteile an die kreisenden Geier.
Siehe auch hier zu den deutschen Konservativen.

Über Martin Böttger:

Martin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
Sie können dem Autor auch via Fediverse folgen unter: @martin.boettger@extradienst.net